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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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beobachtete und zu beiden Seiten der Straße hin klare, aber feine Ultraschallrufe aussandte. Kurz bevor die Tür ein zweites Mal geöffnet wurde, drehte er sich wieder um, obwohl sie selbst hinter der Tür weder eine Stimme noch Schritte gehört hatte. Seine Sinnesschärfe war entnervend – war das Magie?
    Ihr würde übel werden, wenn sie allzu viel über Magie nachdachte, obwohl es sie in den Fingern juckte, ihre Handschuhe abzustreifen, als der Lakai sie durch die Halle führte. Wäre sie allein gewesen oder in Begleitung eines Menschen, der nicht um die Bedeutung dieser Geste wusste, hätte sie es getan.
    Sie brauchte Ishmaels Jägersinne nicht, um zu wissen, dass das große Haus lange unbewohnt gewesen und erst kürzlich wieder geöffnet worden war; alles, was sie dazu benötigte, war das Wissen einer Hausherrin. Jeder Ultraschallruf wurde in der Halle mit ihrer breiten Treppe in der Mitte vielfach reflektiert, da alle dämpfenden Wandbehänge, Gardinen und Zierstücke fehlten. Sie wurden sicherlich andernorts gelagert oder ausgestellt. Die meisten Möbel in dem großen Empfangsraum waren noch immer verhüllt, und es roch nach Staub und alten, vertrockneten Blumen. Tercelle Amberley saß auf einem der Stühle; sie trug einen weit geschnittenen Morgenrock, der von der Schulterpasse an ausgestellt war und ihre mit Milch prall gefüllten Brüste und ihre noch dicke Taille verbarg. Im Laufe der Jahre hat sie sich kaum verändert, dachte Telmaine: Immer noch dasselbe kleine, tropfenförmige Gesicht, das keck funkelte oder sich mitleiderregend zusammenzog. »Prinzessin Telmaine«, sagte Tercelle mit bebender Stimme. »Kommen Sie doch herein. Nehmen Sie Platz. Und stellen Sie mich Ihrem teuren Freund vor.«
    Für eine beleidigende Anspielung ein schwacher Versuch; vielleicht war es lediglich Gewohnheit.
    »Ihre Hoheit, Tercelle Amberley, Ishmael di Studier, Baron Strumheller.«
    Tercelle streckte eine leicht zitternde Hand aus. »Vergeben Sie mir, Baron, ich war …« Und dann erstarrte sie, riss die Hand zurück und erstarrte abermals. In diesem Moment begriff Telmaine, dass Ishmael seinen Handschuh abgestreift hatte.
    Und dass Tercelle Amberley wusste, was das bedeutete.
    Telmaine erholte sich hinreichend, um ein höfliches Lachen aufzusetzen. »Baron Strumheller, ich fürchte, Ihr Ruf ist Ihnen vorausgeeilt.«
    Tercelle keuchte auf. »Es tut mir so leid. Ich war in letzter Zeit so überaus nervös. Ich bin mir sicher, es ist gar nichts, nur …«
    Telmaine betrachtete sie mit leicht schräg geneigtem Kopf und bedachte verschiedene Strategien.
    Mit gequälter Miene zog Ishmael di Studier seinen Handschuh wieder an und streckte Tercelle die Hand hin. Bei seiner Verbeugung beließ er es dabei, die Lippen nur bis knapp über ihre Hand zu führen.
    »Wo ist meine Tochter?«, fragte Telmaine.
    »Was? Ihre Tochter?«, sagte Tercelle.
    Ihre Verwirrung wirkte aufrichtig. Telmaine vertraute ihr nicht. »Ja, meine. Ihre Söhne mögen Ihnen gleichgültig sein …«
    »Nicht so laut«, brummte der Baron.
    »… aber seien Sie versichert, dass unsere Tochter Balthasar und mir nicht gleichgültig ist und wir vor nichts haltmachen werden, um sie zu finden.«
    Tercelle entriss Ishmael ihre Hand. »Diese Frau ist wahnsinnig. Ich habe keine Söhne.« Sie griff nach der Glocke, die neben ihr stand. Der Baron verhinderte, dass sie läutete, und dämpfte die Glocke mit der Hand. »Gnädige Frau, wir brauchen Ihre Hilfe.«
    »Wenn Sie versuchen, mich zu erpressen, warne ich Sie, mein Verlobter …«
    »Ist einer der skrupellosesten Männer auf Erden«, unterbrach Ishmael sie, »ja, und Sie fürchten vielleicht zu Recht um Ihr Leben. Aber Balthasar Hearne ist in der vergangenen Nacht nur äußerst knapp mit dem Leben davongekommen, und dieselben Männer, die ihn beinahe totgeschlagen hätten, haben vor seiner Tür seine Tochter entführt. Waren das Ihre Männer?«
    »Natürlich nicht! Warum sollte ich riskieren …« Sie brach ab.
    Er nickte anerkennend. »Die erste Regel der Intrige – je weniger getan wird, umso weniger wird aufgespürt werden. Also, wenn es nicht Ihr Werk war, wessen Werk war es dann? Wer wusste von Ihrer Schwangerschaft?«
    Sie presste sich eine Hand aufs Gesicht. »Haben Sie Erbarmen«, wisperte sie. »Nicht hier.« Sie versuchte, ihre Hand und die Glocke zu befreien, und der Baron ließ sie gewähren. Das heftige Gebimmel der kleinen Glocke war mehr dem unwillkürlichen Beben ihrer Hand geschuldet als irgendeinem

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