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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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sie. »Aber ich werde fragen, ob Baron Strumheller etwas gehört hat.«
    »Gut«, flüsterte er. »Mir gefällt der Gedanke nicht, dass er sich von den Ärzten nicht behandeln lassen will. Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, er wird sich todeselend fühlen, sobald sich die Wirkung dieses Stimulanz gelegt hat. Wir sollten ein Auge auf ihn haben.«
    »Persönliche Erfahrung?«, wiederholte Telmaine. Balthasar trank nur selten und gönnte sich niemals Stimulanzien.
    Sie las seine Erinnerung an die Stunde, in der er sich mit dem Brieföffner in der Hand über die Zwillinge gebeugt hatte, seine Gewaltbereitschaft, seine unwillkommenen Einsichten. Er sagte: »Etwas, das ich benutzt habe, um auf den Beinen zu bleiben, nachdem Tercelle mir die Droge gegeben hatte. Sie hat mir etwas untergemischt, damit ich schlief, während sie die Zwillinge dem Tageslicht aussetzte.«
    »Das hat er mir nicht erzählt«, erwiderte Telmaine in Anspielung auf Ishmael. Sie wertete dies als einen weiteren Punkt gegen Tercelle, was immer ihr das jetzt nutzen oder der toten Frau noch schaden konnte. Als Nächstes fragte sie sich, woher ihr enthaltsamer Ehemann ein derart starkes Stimulanz gehabt haben mochte. Sie sprach die Frage nicht aus, denn sie kannte die Antwort.
    Vielleicht würde sie ihn nach diesem Vorfall endlich dazu überreden können, dieses Haus – und Floria Weiße Hand – aufzugeben.
    Ishmael
    Ishmaels Gespräch mit Vladimers Leutnant Casamir Blondell war barmherzig kurz. Genau genommen war es zu kurz für eine so vielschichtige und verworrene Situation, aber mehr konnten sie voneinander nicht ertragen. Vladimer wurde bedauerlicherweise erst am nächsten Tag in der Stadt zurückerwartet, und Ishmael wusste, dass er seinen Bericht, so gern er es auch getan hätte, nicht hinauszögern konnte.
    Blondell hatte sein Leben als Bauer begonnen, war im Erwachsenenalter Fabrikarbeiter geworden und Vladimer als erfolgreicher Agitator aufgefallen, der für eine Sabotagekampagne der Arbeiter gegen ihre Fabriken verantwortlich zeichnete. Der junge Meisterspion hatte schon damals genau gewusst, wie man Männer mit den Fähigkeiten, die er brauchte, gewann, benutzte und manipulierte. Er hatte Blondells Ehrgeiz geschürt und befriedigt und ihn von der Rebellion zur Dienstbarkeit geführt, und mit der Zeit hatte er Blondells absolute Loyalität gewonnen. Der ehemalige Bauer war mehrere Jahre älter als Ishmael, massig von früher Plackerei und späterem Wohlstand, was noch durch die kunstvollen gefütterten Jacken betont wurde, die er zum Schutz gegen Stilette trug. Er hatte panische Angst vor einer Ermordung, obwohl die einzige Narbe, die er nach Jahren in Vladimers Diensten trug, das Vermächtnis einer verstoßenen Mätresse war. Sie waren natürliche Antagonisten, er und Ishmael: der Bauer und der Edelmann, der magisch Unbegabte und der Magier, der Schreibtischarbeiter und der aktive Agent.
    Ishmael erstattete Bericht in Blondells Arbeitszimmer, einem engen, überfüllten und überdekorierten Museum für das Ego des Mannes. Relikte besiegter Feinde, Figuren, die sich nur durch das Übermaß ihrer Schnörkeleien auszeichneten, Jagdtrophäen, von denen zumindest eine für Ishmaels scharfe Nase nicht ordentlich präpariert worden war. Nach Jahren des Umherstreifens reiste Ishmael mit leichtem Gepäck und sammelte nur Erinnerungen. Blondell forderte ihn nicht auf, Platz zu nehmen, und so setzte er sich nicht, obwohl inzwischen die nur geliehene Energie des Stimulanz beinahe erloschen war und er sich anstrengen musste, nicht zu schwanken. Er beschränkte sich bei seinem Bericht auf rein sachliche Beobachtungen, ohne Spekulation oder Ausschmückung. Blondell stellte einige beiläufige Fragen und entließ ihn dann, zweifellos um bei seinen eigenen Quellen nach weiteren Informationen zu suchen. Ishmael hatte nicht die Kraft, ihn danach zu fragen, was er über das Feuer herausgefunden habe – weder, um ihm Informationen zu entlocken, noch, um selbst emotional besser mit der hohen Zahl von Todesopfern fertigzuwerden.
    Er trottete durch scheinbar endlose Korridore zu seinen Räumen zurück. Am Ende des Weges blieb ihm nur noch der Stolz, wenigstens nicht der Länge nach hingeschlagen und auch nicht von irgendwelchen Dienern sondiert worden zu sein, wie er sich einem Betrunkenen gleich an den Wänden entlang vorangetastet hatte. Als er durch die Tür in seine Räume taumelte, bemerkte er – zu spät – zwei Personen im Raum. Dann hielten zwei Paar

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