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Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren

Titel: Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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Hände ihn an den Armen fest und gaben ihm Halt.
    »Nun, was haben Sie sich wieder angetan, junger Herr?«
    »Lorcas«, flüsterte er. Er erkannte die Stimme, den schroffen Tonfall und die drahtigen Arme; sie gehörten seinem ältlichen Kammerdiener. Das sehnige Paar Hände auf der linken Seite ordnete er dessen Sohn zu. Die beiden, Vater und Sohn, hätten eigentlich in seiner Residenz in der Stadt sein sollen, wo sie ihn einen, nein, zwei Tage zuvor abends nach seinem Treffen mit Vladimer erwarten sollten. Mit einigem Bedauern erkannte er, dass er während der letzten hektischen Nächte keinen einzigen Gedanken an seinen Haushalt verschwendet hatte. »Wie seid ihr hierher …«
    »Denken Sie im Moment nicht an uns«, sagte Lorcas und drückte ihn mithilfe seines Sohnes in einen Sessel. »Wenn Sie nur die Hälfte der Dinge getan haben, die Ihnen die Leute zuschreiben, gehören Sie ins Bett, obwohl ich vermute, dass Sie sich nicht hinlegen werden. Man erzählt mir, Sie hätten den Ärzten des Erzherzogs nicht erlaubt, sich um Sie zu kümmern.«
    »Quacksalber«, knurrte er. Er begann sich gegen die Rückenlehne sinken zu lassen, besann sich aber eines besseren. »Jetzt, da ihr hier seid, wird es mir gut gehen.«
    Er ließ seinen Sonar durch den Raum wandern und bemerkte vier Schranktruhen – nicht diejenigen mit dem kunstvollen Strumheller-Muster, sondern die schlichten Exemplare, die er für Reisen in seiner weniger öffentlichen Rolle benutzte. » Wie sind Sie hierhergekommen?«
    »Einer von Fürst Vladimers Boten hat uns die Nachricht überbracht, dass Sie im herzoglichen Palast zu finden sein würden. Also haben wir gepackt und sind hergekommen. Das war ein ziemlicher Wirbel – zweimal mussten wir die Kutsche wechseln und haben wer weiß wie viele sogenannte Ziele angefahren.« Lorcas brachte eine Tasse. »Limonentee, Herr.«
    Ishmael stützte sich auf einen Ellbogen, vorsichtig wegen seiner Brandwunden und seines unruhigen Magens, und nahm die Tasse entgegen. »Nichts sollte mich länger überraschen, was Sie beide betrifft«, sagte er und kam zu dem Schluss, die beinahe sofortige Bereitstellung einer Tasse mit Limonentee dürfe ebenso wenig hinterfragt werden wie jeder andere Teil des Ganzen.
    Lorcas hatte sich zusammen mit dem Personal von Ishmaels in der Stadt geborenen Mutter dem Haushalt der Strumhellers angeschlossen und war Ishmaels persönlicher Diener gewesen, seit dieser im Alter von acht Jahren dem Kinderzimmer Lebewohl gesagt und bis sein Vater ihm als Sechzehnjährigem die Tür gewiesen hatte. Als er in der ersten Nacht nach seiner Rückkehr erwacht war, hatte Lorcas mit einer Tasse Limonentee an seinem Bett gestanden, als habe es die neun Jahre der Entfremdung niemals gegeben. Jahre später, als Ishmaels Patrouillen dem alternden Lorcas zu anstrengend wurden, hatte ihn eines Frühlingsabends Eldon mit Satteltaschen in der Hand neben seinem Pferd erwartet und stoisch den Spott der erfahrenen Patrouillenreiter über sich ergehen lassen. Ein ums andere Mal hatten die beiden für ihn vorgesorgt und ihn versorgt, gepflegt und auf andere Weise gerettet.
    Ishmael trank drei Tassen Tee, jede mit einer großzügigen Portion Honig und stärkenden Kräutern, während seine Kammerdiener auspackten. Erleichtert beobachtete er, wie Lorcas diskret einen gewissen kleinen, in Stoff gewickelten Kasten beiseitestellte. Für den Moment sagte er nichts dazu. Vater und Sohn pflegten jeder für sich die eigenartige Vorstellung, dass der andere nichts von Ishmaels magischer Praxis wusste. Gleich würde Lorcas eine Besorgung für Eldon finden, die ihn aus dem Raum führte und die es Ishmael gestatten würde, nach dem Kasten und seinem Vorrat an Spicula zu fragen – derer jede sorgsam gefüllt war mit seiner eigenen Lebensenergie, die er nun benutzen konnte, um seine Heilung zu fördern. Seine schnelle Genesung mochte Anlass zu Bemerkungen geben, aber sie durfte nicht aufgeschoben werden.
    »Was haben Sie über das Feuer gehört?«, fragte er.
    »Eine schreckliche Sache«, sagte der ältere Kammerdiener. »Ganz schrecklich. Der Kutscher meinte, dass neun Häuserblocks niedergebrannt seien.«
    »Waren Sie dort, Herr?«, wollte Eldon wissen. Ishmael konnte ebenso wenig aufhören, an ihn als den »jungen Eldon« zu denken, wie Lorcas aufhören konnte, ihn »junger Herr« zu nennen, obwohl Eldon verheiratet war und zwei Kinder hatte. Die Männer von der Grenze standen nicht gerade im Ruf besonderer

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