Nachtgeboren - Sinclair, A: Nachtgeboren
Hämmern an der Tür hörten, ließ er seine Kammerdiener ein ganzes Stück zur Seite treten, damit sie bei einem möglichen Schusswechsel außer Reichweite standen, und öffnete persönlich die Tür.
Sein Sonar zeigte ihm zwei schwere Pistolen, die auf seinen Kopf zielten und sich in den Händen von Agenten befanden, die links und rechts des städtischen Superintendenten standen. Er war sich nicht sicher, ob seine edle Herkunft oder seine Untat derartige Aufmerksamkeit rechtfertigte. Hinter der doppelten Reihe öffentlicher Agenten stand Casamir Blondell, seine Gestalt undeutlich unter den vielen Echos, aber sein Gesicht verzerrt von Ärger und Verachtung. Dieses extreme Mienenspiel gab Ishmael die denkbar kürzeste Vorwarnung, bevor sie Hand an ihn legten – sie hatten ziemlich lange gebraucht, um zu begreifen, dass er in seinen Hemdsärmeln, die behandschuhten Hände ausgebreitet, weder eine Bedrohung darstellte noch Widerstand leistete. Er spannte unwillkürlich die Muskeln an, als sie ihn vorwärtszerrten, eine Reaktion auf zu viele Erinnerungen ähnlicher Behandlungen, aber er widersetzte sich nicht, als sie ihn in den Flur zerrten.
»Ishmael di Studier, Baron Strumheller«, sagte der Superintendent, »wir verhaften Sie im Namen des Erzherzogs wegen des Verdachtes, gestern Nacht Tercelle Amberley ermordet zu haben, und wegen des Verdachtes der Hexerei, begangen gegen Fürst Vladimer Plantageter vorgestern Nacht.«
Er versteifte sich in ihrer Umklammerung, sein Verstand erstarrte vor Entsetzen über die zweite Anklage und ihre Konsequenzen. »Vladimer …«, sagte er unklugerweise, und die Agenten, die seine Arme festhielten, verdrehten sie mit der eleganten Effizienz von Männern, die in dieser Technik wohlgeübt waren. Er schrie einmal gequält auf und hing dann keuchend zwischen ihnen.
» Wie Sie gewiss wissen, liegt Fürst Vladimer besinnungslos im herzoglichen Sommerhaus«, zischte Blondell.
Die Miene des Superintendenten veränderte sich und zeigte jetzt Abscheu. Ishmael konnte sich keine Hoffnung gestatten, nicht bei der Anklage wegen möglicher Hexerei gegen ihn, aber er wusste, dass Malachi Plantageter sich skrupellos an den Realitäten der Politik orientierte. Er war von altem Adel – er teilte den herzoglichen Nachnamen – und in diesen niederen öffentlichen Dienst abgestiegen, den er zu seiner persönlichen Ehrensache gemacht hatte. Mit leiser Stimme sagte Ishmael: »Ich bin unschuldig« – eine Geste des Superintendenten bereitete jeden Bemühungen der anderen, ihn zum Schweigen zu bringen, ein Ende – »in beiden Anklagepunkten, aber insbesondere im letzten.«
»Das Gesetz lässt diese Möglichkeit zu«, räumte der Superintendent ein, »und stellt eine gerechte Verhandlung für alle Menschen sicher, ungeachtet der Anklagen, Zeugen und Beweise. Ich werde Sorge tragen, dass Sie bewacht werden, bis wir wissen, wie es Fürst Vladimer weiter ergeht und welche Anklagen genau gegen Sie erhoben werden.«
Hilflos und unter Schmerzen zwischen seinen Wachen hängend hörte er die Drohung und das Versprechen in diesen Worten. Mord war ein Kapitalverbrechen, eines, für das ein Mann draußen angekettet wurde, um den Tag zu erwarten. Nachgewiesene Hexerei – und darin lag die Tücke, da die Zeugen, die die Unschuld eines Angeklagten in diesem Punkt beweisen konnten, kaum als aufrechte Bürger und Zeugen betrachtet werden würden – konnte dazu führen, dass er ins Exil geschickt, in ein Irrenhaus gesperrt oder hingerichtet wurde. Der Tod durch Lichtklingen war vor zwanzig Jahren benutzt worden – bei dem Magier, der den Entführern von Guillaume de Maurier und seinen Schwestern Beihilfe geleistet hatte.
Wobei eine solche Bestrafung voraussetzte, dass er es schaffte, in den Zellen nicht erstochen oder totgeschlagen zu werden. Fürst Vladimer mochte gefürchtet sein, aber er wurde wegen seiner Beherrschung der Künste der Heimlichkeit und Hinterlist auch geschätzt, und er war der Bruder des Erzherzogs. Verbrecher, so hatte Ishmael festgestellt, neigten eher dem Traditionalismus zu. Sein bloßes Überleben während des nächsten Tages, geschweige denn bis zur Verhandlung, hing von der Bereitschaft des Superintendenten ab, seine Pflicht zu tun. Und wer würde Vladimer helfen, wenn Ishmael in eine Zelle gesperrt wurde? Warum dachten sie, Vladimers Gebrechen sei magischer Natur? Weil es unnatürlich schien und die Ärzte vor Rätsel stellte … sie würden ihm nicht gestatten, davon zu erfahren oder
Weitere Kostenlose Bücher