Nachtgespenster
Vampirgeister zu vertreiben. Dann war er aufgeblüht und nicht mehr so zusammengefallen wie jetzt.
Über sein Gesicht mit der lappigen und längst nicht mehr straffen Haut huschte ein Lächeln. Schon der Gedanke an die Zukunft gab ihm etwas von der alten Stärke zurück. Er dachte daran, daß die Zeit des Schreckens bald vorüber war. Mit der neuen Kraft würde er auch den alten Fluch brechen können, um endlich sein Schloß zu verlassen und auf Jagd zu gehen. Menschen jagen, ihr Blut trinken, sie aussaugen bis zum letzten Tropfen. Wie es sich für einen Vampir gehörte.
Dieser Gedanke machte ihn schon lüstern. Durch die Dunkelheit drangen seine schluchzenden Laute, die sich aus einer Mischung aus Heulen und Lachen zusammensetzten.
Er bewegte sich jetzt. Streckte die Arme aus. Ließ sie nach unten sinken. Mit den Handflächen tappte er über den schmutzigen Steinboden und geriet sehr bald an Stellen, an denen die vor sich hin verwesenden Reste seiner anderen Mahlzeiten lagen.
Er spürte Fell. Auch Köpfe und Schwänze. Er drängte die Finger in die Wunden, die er in seiner wahnsinnigen Wut gerissen hatte. So ließ er die Eingeweide durch seine Finger gleiten und lauschte dabei den klatschenden Geräuschen.
Er kroch weiter.
Die Kraft, sich auf die Beine zu stellen, fehlte ihm. Dieser Tag mußte besonders schlimm sein, denn die Sonne stand sehr hell am Himmel und schickte ihre Strahlen gegen das dicke Mauerwerk.
Sie drangen hindurch.
Er sah sie nicht, er spürte sie nur. Es war wie eine schreckliche Botschaft, wie ein Brennen auf der Haut, als sollte sie ihm in Fetzen geätzt werden.
Als seine linke Hand gegen die unterste Treppenstufe schlug, sackte der Earl zusammen. Auf dem Bauch blieb er liegen. Zuckend. Er fühlte sich ausgetrocknet, als wären ihm auch die letzten Säfte aus dem Körper gepreßt worden.
Noch wenige Stunden mußte er aushalten. Auch die Sonne würde nie so hoch bleiben und allmählich sinken.
Dann kam seine Zeit.
Und diesmal würde er das Blut eines Menschen trinken…
***
Nein, es war wirklich alles andere als ein Vampirwetter, denn die am Himmel stehende Sonne schien, als wollte sie aller Welt beweisen, wozu sie fähig war.
Wir erlebten eine noch sommerliche Wärme, als wir den Wald verlassen hatten. Sogar der Rover hatte sich in seinem Innern aufgeheizt, und ich ließ beide Scheiben nach unten fahren.
Ich hatte die Brille mit den dunklen Gläsern aufgesetzt, während mir Doreen den Weg zur Burg erklärte. Wir mußten quer durch das Gelände fahren und dabei auf schmalen Wegen bleiben, die mir bisher nicht aufgefallen waren.
Die sanfte Hügellandschaft sah so friedlich aus. Wer sie sah, wäre nie auf den Gedanken gekommen, hier einen Vampir zu suchen. Das hier sah aus wie Urlaub pur, auch wenn die Touristen fehlten.
Nur die auf einem flachen Hügel stehende Burg konnte sich einfach nicht anpassen. Sie war grau, sie blieb grau und verlor auch ihre Düsternis nicht.
Sie sah aus, als würde sie nicht hierher gehören, aber sie war auch irgendwo dominant, denn mir war es kaum möglich, den Blick von ihr zu wenden.
Immer wieder mußte ich hinschauen, und je näher wir kamen, um so mehr Einzelheiten schälten sich hervor. Die beiden Türme waren erhalten. Dazwischen standen die Mauern, die sie miteinander verbanden. Es wehte keine Flagge mehr, aber die Burg sah auch nicht aus wie eine alte Ruine.
Ich fragte die bisher stumm neben mir sitzende Doreen, die sich alles andere als wohlfühlte. Sie hatte den Kopf etwas eingezogen und die Schultern angehoben. »Zerstört ist die Burg nicht?«
»Nein.«
»Verfallen?«
»Ja. Es gibt kein Mobiliar mehr. Alle Zimmer und Räume sind leergeräumt worden. Trotzdem kann man das Gefühl haben, nicht allein zu sein. Ich weiß auch nicht, wie ich dir das erklären soll, John, aber es ist nun mal so.«
»Die Nachtgespenster? Sollten sie auch tagsüber vorhanden sein?«
»Wer weiß schon genau, was sich hinter den Mauern abspielt.«
Ich mußte einfach lachen, obwohl es nicht passend war. »Wenn ich überlege, daß auch ich neue Erfahrungen habe sammeln können, was Vampire und deren Existenz angeht, dann erscheint mir nichts mehr unmöglich zu sein, Doreen.«
Sie kam mit meiner etwas komplizierten Erklärung nicht zurecht und versuchte, sie mit eigenen Worten zu beschreiben. »Das hat sich angehört, als wärst du ein Mensch, der sich mit Vampiren sehr gut auskennt.«
»Da kannst du recht haben.«
»Bist du ein Vampirjäger?«
Ich
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