Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
vorgehalten.
»Gebraucht oder nicht, das wenige Geld, das du am Hafen verdienst, kannst du bald für was Besseres gebrauchen.«
»Ach, da liegt also unser Problem. Du hast mit Caitlin gesprochen.« Dillon legte die Stirn in Falten, eine Miene, die man bei ihm in der letzten Zeit häufiger sah, wie Eistir unglücklich feststellte. »Nun, bis zum freudigen Ereignis sind es ja noch fast sieben Monate. Mir bleibt also noch genug Zeit, um das Geld für Windeln und eine Wiege anzuschaffen. Außerdem ist der Mantel nicht irgendein beliebiges Geschenk, sondern eine Art Glückwunsch zu deinem ersten Job. Hast dich ja ordentlich angestrengt dafür.«
Daraufhin hatte Eistir den Mantel angenommen, mit einem glücklichen Strahlen im Gesicht. Heute hatte sie ihren ersten Lohn ausgezahlt bekommen - eine lächerlich geringe Summe für unendlich viele und langweilige Stunden der Tipperei, aber sie war stolz und wollte ihre Brüder ins Kino einladen.
An den Freitagabenden trafen sich die beiden Brüder mit einigen anderen Männern aus dem Viertel in einem Hinterzimmer zum Kartenspiel. Ein Blick auf die Uhr, die über dem Eingang zur Subway hing, verriet Eistir, dass die Spielzeit eigentlich schon vorbei sein musste. Die anderen Mitspieler mochten den Ausgang des Ladens zwar erst deutlich später finden, eingelullt von Zigarettenrauch und Whiskey, aber in Niall tickte ein inneres Uhrwerk. Er wollte hören, wie es seiner Schwester
den Tag über ergangen war, bevor er sich zu seinen abendlichen Geschäften absetzte. Außerdem ging es ihm gegen den Strich, wenn einige Männer, mit denen er geschäftlich zu tun hatte, gleich nach dem Ende des Spiels über ihre Angelegenheiten schwadronierten, die für Dillons Ohren nicht bestimmt waren.
Mr Murray, der Besitzer des Ladens mit dem auffällig angestaubten Inventar, hatte einmal seinen kahlen Kopf zur Tür herausgestreckt und Eistir gefragt, warum sie - verflucht noch mal - nicht einfach reinkäme und im Warmen wartete, bis die Männer mit dem Spiel fertig wären? Doch Eistir hatte nur mit dem Kopf geschüttelt. Nicht bloß, weil Mr Murray aussah wie ein Troll, der einer Kindergeschichte entsprungen war, sondern weil sie mit dieser Art von Gesellschaft möglichst wenig zu tun haben wollte. Wenn Niall sich die Finger schmutzig machte, war das seine Sache, denn sie liebte ihn trotzdem. Doch von den anderen Männern wollte sie am liebsten nicht einmal die Namen kennen.
Als Dillon endlich in der Tür auftauchte, waren sämtliche trüben Gedanken vergessen.
»Rate mal, was ich hier in meiner Manteltasche habe«, platzte es aus Eistir heraus.
»Deine Hand, an der ein Verlobungsring von eurem Starwerbeheini steckt, dem es gleich in der ersten Woche gelungen ist, dich erfolgreich zu schwängern?«
»Dieser lahme Witz verrät nur, wie wenig Ahnung du vom Thema Verlobung unter normalen Umständen hast. Es gibt auch Männer, die sich verloben, ehe ihre Süße schwanger ist.«
Dillon lehnte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »So hübsch und so unsäglich naiv. Also, läuft da tatsächlich was mit einem Werbeheini?« Doch bevor er fortfahren konnte, tauchte Nialls dunkle Silhouette neben ihnen auf.
»Über was für einen Unsinn redest du da, Dillon?«
Wie immer spürte Eistir einen Stich beim Anblick ihres ältesten Bruders. Anders als bei Dillon war Nialls Ausdruck von einer düsteren Ernsthaftigkeit bestimmt, als würde er den natürlichen Gegensatz zu seinem überschäumenden Bruder bilden. Trotzdem wies er eine Anziehungskraft auf, die Eistir - wie auch viele andere - beeindruckte: Niall war nicht nur eine beeindruckende Persönlichkeit, sondern darüber hinaus ein gut aussehender Mann mit klar geprägten Gesichtszügen und von schwarzen Wimpern umrahmten Augen, deren eindringlichem Blick man sich nicht entziehen konnte. Es war jedoch ein Fehler, in den ebenholzfarbenen Augen zu versinken, denn das dunkle Glimmen in ihnen verriet viel mehr über Nialls Wesen, das unleugbar von ihrem Vater geprägt worden war.
»Ich möchte euch beide von meinem ersten Lohn ins Kino einladen«, brachte Eistir hervor, während Niall sich zu einem Begrüßungskuss vorbeugte. Er roch nach Metall und frischem Schweiß.
»Das ist gut gemeint, aber das brauchst du nicht zu tun.« Niall musterte sie eingehend wie immer, als könne er ihr jeden Gedanken direkt vom Gesicht ablesen. »Kauf dir lieber etwas Schönes, vielleicht einen Reif für dein Haar. Dann könntest du es häufiger offen
Weitere Kostenlose Bücher