Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
Miene verzog. »Hast du dich verlaufen? Ihr Hafenratten treibt euch doch ansonsten nicht außerhalb eures Reviers herum.«
Augenblicklich war das Lächeln von Nialls Gesicht verschwunden. Zurück blieb der Ausdruck eines Mannes, um den man besser einen weiten Bogen machte, wenn man es nicht gerade auf eine Auseinandersetzung anlegte. »Vielleicht hat mich ja der schmutzige Gestank von ein paar Uniformträgern angezogen.«
Während die beiden Polizisten zeitgleich ihre Schlagstöcke zogen, trat Dillon mit erhobenen Händen dazwischen. »Hoho, kein Grund zur Aufregung. Alles bestens. So ein netter Abend, überall sind gut gelaunte Leute unterwegs, darunter auch einige Damen, und die wollen wir doch nicht erschrecken.«
»Noch eine McKenna-Ratte?«, fragte der Polizist gereizt, doch zumindest senkte er den Schlagstock. Sein Kollege mit dem versteinerten Gesicht folgte seinem Beispiel allerdings nicht, wie Eistir beunruhigt feststellte.
»Jawohl, und zwar eine echte«, betonte Dillon, als sei das der beste Witz, den er je gehört hatte. »Und da drüben steht die dritte im McKenna-Bunde, wir haben uns mit unserer Schwester nämlich gerade einen Film angeschaut. Große Liebe, mit allem Drum und Dran.«
»Tatsächlich?« Der Schlagstock sank noch ein weiteres Stück, als würde Dillons Redeschwall ihn niederdrücken. Dann wanderte der Blick des Polizisten zu Eistir hinüber, woraufhin sie automatisch errötete. »Das ist also McKennas kleine Schwester. Hübsch. Das Gesicht sollte ich mir merken.«
»Nein, sollst du nicht«, fuhr Niall ihn mit rauer Stimme an, den nervös tänzelnden Dillon ignorierend.
»Keine Sorge, ich will ihr schließlich nicht den Hof machen. So einem Kleeblatt schaut man doch höchstens ein Mal unter die Röcke.«
Weiter kam der Polizist nicht, denn Niall rammte ihm bereits seine Faust ins Gesicht. Laut fluchend versuchte Dillon, seinen Bruder zu packen, doch Niall schüttelte ihn ab und schlug erneut auf den Mann ein, aus dessen Nase bereits Blut spritzte. Zur Hilflosigkeit verdammt, stand Eistir daneben und presste die Hand auf ihren Mund, dem unbedingt ein Schrei entweichen wollte. Stattdessen stieß der Polizist einen dumpfen Laut aus, als Nialls Faust seinen Magen fand. In diesem Moment kam Leben in den zweiten Polizisten: Er warf den Schlagstock weg und zerrte seine Pistole hervor. Eistir glaubte, trotz des um sie herum ausbrechenden Tumults, das Geräusch zu hören, wie die Waffe entsichert wurde. Auch Dillon fuhr herum, streckte die Hand nach dem Mann aus, als wolle er ihn beruhigen. Da erscholl der Schuss, und Dillon sank getroffen zusammen.
Nun brach endlich der Schrei aus Eistir hervor und trennte sie von allem anderen. Sie konnte einfach nicht wieder aufhören. Auf dem Boden lag ihr Bruder, regungslos, während sich unter ihm eine rote Lache auftat.
Niall erstarrte für einige Atemzüge, dann ließ er von dem erschlafften Mann ab und drehte sich dem Polizisten zu, der immer noch mit der ausgerichteten Waffe dastand.
»Stehen bleiben«, keuchte der Mann, in dessen Gesicht sich nun doch etwas regte.
Aber Niall dachte gar nicht daran.
Es brauchte nicht mehr als einen entschlossenen Griff, dann hatte er die Waffe des Polizisten in der Hand. Er warf Eistir noch einen Blick zu, den sie bloß starr erwidern konnte, dann drückte er ab.
33
Liebesbeweise
Esthers Stimme versagte.
Adam, der die ganze Zeit wie eine Statue vor ihr gekniet hatte, streckte sofort die Hand nach ihrem Gesicht aus, doch ein leichtes Kopfschütteln ließ ihn innehalten. Stattdessen betastete Esther es selbst mit steifen Fingern, als vermutete sie, auf tiefe Risse in der Oberfläche zu stoßen. Nur ertasteten ihre Fingerspitzen nichts, dafür waren sie zu taub, regelrecht leblos, als sei ihr Körper während ihrer Reise in die Vergangenheit abgestorben. Wer konnte auch damit rechnen, einen Ort aufzusuchen, der von Toten bewohnt wurde, und keinen Preis dafür zahlen zu müssen? Allein die Namen der Toten laut auszusprechen, hatte jedes Mal ein Stück von ihr selbst getötet. Oder irrte sie sich da vielleicht? Denn mit einem warmen Prickeln kehrte das Leben in ihre Fingerspitzen zurück.
Schließlich gelang es ihr, Adam in die Augen zu sehen. Darin fand sie Mitgefühl sowie sein offenkundiges Verlangen, ihr endlich beweisen zu dürfen, dass diese Geschichte nichts zwischen ihnen veränderte. Und wenn überhaupt, dann nur zum Guten hin. Zu gern wollte sie ihm sagen, dass sie bei ihm mit nichts anderem
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