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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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irgendwo in dem Appartement
ihrer Reinigung - oder wenn es nach ihm ging: Verbrennung - harrten. Plötzlich klang ein Cafébesuch sehr verführerisch. Vielleicht wäre das ja eine Art Neuanfang.
    In der Nähe von Carrières Appartement, das sich in einem eleganten Wohnhaus befand, lag die Place Pigalle. Dort reihte sich ein Café an das andere, alle erstaunlich gut besucht. Zielstrebig steuerte Carrière auf ein besonders trubeliges Lokal zu. Mit seiner Kirschholzvertäfelung und dem mit Messing beschlagenen Tresen strahlte es Gemütlichkeit aus, genau wie die mit Samt bezogenen Sitzbänke und die von Tabakrauch durchsetzte Luft, die träge unzählige Gesprächsfetzen einhüllte. Allerdings übertrug sich diese Gemütlichkeit keineswegs auf die Gäste, die einander lärmend begrüßten und auch ansonsten unentwegt in Bewegung waren. In jeder Ecke schien jemand mit einer Zeitung zu rascheln, Schachfiguren niederzuknallen oder seinen Mantel auf einen der wenigen freien Stühle zu werfen.Trotz der herrschenden Enge gelang es Carrière, einen Holztisch in einer ruhigen Ecke zu ergattern.
    »Die Leute in Paris, besonders in der Nähe der Sorbonne, verschwenden keine Zeit mit dem Frühstück, nur ein Café noir und ein Croissant auf die Schnelle. Selbst die Studenten und Künstler sind in Eile, wenn auch nur auf der Suche nach einem noch interessanteren Gesprächspartner. Ständige Bewegung entspricht dem modernen Zeitgeist. Hier können wir uns also in Ruhe unterhalten, die Gesellschaft um uns herum wird abgelenkt sein und außerdem die Fensterplätze bevorzugen, um nur nichts zu verpassen.«
    Adam nickte zustimmend und bestellte beim Kellner einen Café noir - genau wie Carrière. Und genau wie dieser verzichtete er auf ein Gebäck, obwohl der Kellner sich dazu herabließ, darauf hinzuweisen, dass das Haus seine Waren von einer hervorragenden Konditorei bezog.
    Allein die Vorstellung, in etwas hineinzubeißen, das kalt und
leblos war, erzeugte bei Adam sofortige Übelkeit. Kalt und leblos, wiederholte er schockiert. Welcher gesunde Geist brachte solche Worte mit einem Croissant in Zusammenhang? Aber er verspürte keinerlei Hunger, obgleich er schon seit mindestens einem Tag nichts mehr gegessen hatte. Da war nur ein Verlangen nach etwas Bestimmtem, etwas, das auch nicht für seinen leeren Magen bestimmt war, sondern … Der Café noir wurde serviert, und Adam nippte kurz daran. So gut wie das Getränk roch, so scheußlich schmeckte es. Als würde er Teer trinken.
    Auch Carrière verzog das Gesicht. »Widerlich, ich weiß. Aber Sie werden den Kaffee tapfer wie ein Mann herunterstürzen müssen, ansonsten beleidigen Sie den Kellner, und wir werden vielleicht noch im hohen Bogen hinausgeworfen.«
    »Das Zeug ist ungenießbar«, protestierte Adam.
    »Lassen Sie mich Ihnen versichern, dass nur unsere Geschmacksnerven das so wahrnehmen. Und wir wollen doch keine unnötige Aufmerksamkeit erregen, oder?«
    Mit einer genuschelten Verwünschung trank Adam seinen Café noir aus und stellte die Tasse dann hastig auf die Untertasse zurück.
    Carrière beobachtete ihn mit unverfälschter Neugier. »Ihr Französisch ist wirklich interessant.Vollkommen akzentfrei und fehlerlos.« Als Adam fragend die Augenbrauen hob, lächelte Carrière. »Kein Mensch spricht so.Weder jemand, dessen Muttersprache Französisch ist - so jemand hat immer eine gewisse Färbung oder weist zumindest ein paar Eigenarten auf. Noch jemand, der die Sprache erlernt hat, nicht dermaßen rein, denn die eigentliche Muttersprache würde ihre Spuren hinterlassen.« Das Lächeln verflüchtigte sich, als Carrière sein Kinn massierte und dabei ein Brummen hören ließ. »Lassen Sie uns damit beginnen, wie der Dämon seinen Tempel, also Ihren Körper, in Besitz genommen hat.«

    Adams Gesicht verlor an Farbe. »Warum, zum Teufel, reden Sie von einem Dämon in einem Tempel? Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    »Keineswegs. Ich beschreibe nur, was Ihnen widerfahren ist. Aber wenn Ihnen eine andere Umschreibung lieber ist: Etwas, meinetwegen eine fremde Macht, ist in Ihren Körper eingedrungen und hat ihn seinem Willen unterworfen. Dabei ist es dieser Macht allerdings nicht gelungen, auch Ihrer Persönlichkeit Sklavenringe anzulegen - was ich überaus interessant finde.« Obwohl seine Worte vollkommen abstrus klangen, machte Carrière einen ernsten Eindruck.Auf seinen hageren Zügen lag sogar ein Hauch von Respekt. »Nun schauen Sie doch nicht so drein, ich will Sie

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