Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
unterdrücktes Lachen von sich. »Genauso sehe ich das auch. Darum habe ich Adalbert geschickt, um herauszufinden, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege. Anders muss aufgehalten werden … im Sinne von ausgelöscht.«
»Moment, mir fällt eine Sache ein: Wusste Anders von seinem Antipol? Ich meine, bevor Adalbert die Seiten gewechselt und vermutlich alles ausgeplaudert hat, was er von dir erfahren hat?«
»Nein, er wusste nichts von ihr.Woher auch? Sie muss einen finden, andersherum funktioniert es nicht. Zu mir kam sie, um mehr über die Bedeutung der Gaben zu erfahren. Die These, dass Anders die andere Seite der Medaille ist, geht allein auf meine Forschung zurück. Genau das sollte Adalbert mir bestätigen, dann hätte ich ihr meinen Verdacht mitgeteilt, wovor es mir - weiß Gott - graut. Ihre Nähe ist nicht leicht zu ertragen, musst du wissen. Als ob du in ein Schwarzes Loch blickst. Du verlierst jegliches Gewicht, das deine Füße normalerweise an die Erde bindet, und wirst von ihr angezogen. Es ist, als würdest du jeden Moment von einem endlosen Nichts absorbiert werden. Grauenhaft.«
Bevor Etienne sich weiter in Details verlieren konnte, unterbrach Adam ihn. »Ich weiß jetzt, warum Anders mich um jeden Preis an die Leine legen will: Ich soll für ihn jemanden finden, der sich nicht finden lässt. Seinen Antipol, seine Schwester. Sein treu ergebener Diener Adalbert hatte bereits versucht, meine Zusage zu diesem Auftrag zu erlangen.«
»Wenn du das glaubst, dann hast du nichts von dem verstanden, was ich dir erzählt habe«, entgegnete Etienne ungehalten. Für geistige Nachzügler hatte er kein Verständnis. »Zum jetzigen Zeitpunkt würde Anders seiner Schwester in einer Konfrontation unterlegen sein - und zu einer Konfrontation wird es zweifellos kommen, schließlich bilden die beiden einen unüberwindbaren Gegensatz. Nur weiß sie mit der Macht ihrer Gabe umzugehen, während Anders, bevor Adalbert zu ihm übergelaufen ist, vermutlich nicht einmal eine Ahnung von den wahren Ausmaßen seiner Gabe hatte. Wenn er sie bereits eingesetzt hätte, wüsstest du davon. Dann gäbe es nämlich schon längst niemanden von unseresgleichen mehr in der Stadt. Was ist eigentlich los mit dir, Adam? So langsam bist du doch sonst nie.«
Doch Adam kümmerte sich nicht um diesen Seitenhieb. Während die Kabine sekündlich mehr zu schrumpfen schien, so dass er kurz davorstand, die Tür aufzutreten, begriff er allmählich, wohin all die Spuren führten, auf die er seit seiner Ankunft in Los Angeles gestoßen war. Rischka hatte sich die von Lakas außer Kontrolle geratenen Opferungen zunutze gemacht, um ihn hierherzulocken. Sie hatte auf seine Jagdinstinkte vertraut, die ihn schon auf die Spur zu Nias Leiche bringen würden. Damit er aus dem Fund die richtigen Schlüsse zog, was sie ihm wegen ihrer Abhängigkeit von Anders’ Gabe nicht hatte sagen können:Anders hatte die wahre Bestimmung seiner Gabe entdeckt und bereits ausprobiert.
Plötzlich regte sein Dämon sich, drängte sich ihm auf. Doch Adam sah nicht nur ihn gleich einem Stück eines hundertfach zersplitterten Spiegels. Jeder einzelne Dämon seinesgleichen tauchte vor ihm auf, und kaum hatte Adam die vielen Bruchstücke im Geiste zusammengesetzt, blickte er schreckensbleich in den Spiegel hinein. Er starrte einem Dämon ins Antlitz, dem wiederauferstandenen Dämon.
Eine glutrot leuchtende Flamme in der Nacht, aus der sich eine Gestalt herausschälte. Ein betörend schönes und zugleich fremdartiges Wesen, das fern an einen jungen Menschen erinnerte, dem man nicht auf dem ersten Blick ansehen konnte, ob er nun männlich oder weiblich war.Anmutig beugte es sich vor und sah Adam mit einer Mischung aus Neugier und Herablassung durch den Spiegel an. Die Haut war weiß wie frisch gefallener Schnee. Und doch war sie nicht mehr als eine Maske, wenn man genauer hinsah. Dahinter pulsierte ein tiefes Rot, der reine Lebensstrom.
Adam glaubte, in den schwarz glänzenden Augen des Dämons verlorenzugehen, die Zeit und Raum außer Kraft zu setzen schienen. Eine Ahnung davon, was wahre Macht bedeutete, überkam ihn. Dieses Geschöpf, was auch immer es sein mochte, war in der Lage, sich alles zu nehmen, wonach ihm verlangte. Während Adam diese Erkenntnis noch zu verkraften versuchte, durchzog sich das pulsierende Rot im Inneren der Kreatur mit schwarzen Schlieren, und der Fluss des Lebens nahm langsam ab.
Die Augen des Dämons erzählten von einem nicht zu bändigenden
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