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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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weg.
    Der tote Jerry war ebenfalls weg. Sein kleiner Bruder. Weg.
    Und die Sackkarre.
    Weg.
    Mickeys Mutter hatte alles gewusst. Wenn ihr das zugestoßen wäre, hätte sie bereits eine Theorie, um es zu erklären.
    Mickey fielen keine Theorien ein. Er stand wie vor den Kopf geschlagen da. Schloss die Augen. Öffnete sie wieder. Der Raum blieb unerklärlicherweise verändert.
    Er brauchte eine Aromatherapie, damit er wieder klar denken konnte.
    Er brauchte Zeit für sich in der Sauna.
    Er kam sich dumm vor. Dabei war er sich noch nie dumm vorgekommen.
    Seine Mutter sagte, Dummheit sollte ein Kapitalverbrechen sein, nur gäbe es, wohin man auch sah, so viele dumme Menschen, dass es nicht genug Stahl auf der Welt gäbe, um all die für Guillotinen benötigten Klingen zu schmieden, und auch nicht genug Henker, um sie zu bedienen.
    Er vermisste seine Mutter. Mehr denn je. Er fühlte den schmerzlichen Verlust. Mehr denn je. Und ganz akut.
    * * *

Twyla Trahern
    Sie waren in der Wohnung der Cupps und erzählten einander gerade die unheimlichen Erlebnisse, die sie gehabt hatten, als es passierte. Es war so wie mit der Wand in Winnys Zimmer, die sich gekräuselt hatte und durch eine Vision von Leerstand und Verfall ersetzt worden war, und doch anders. Ein elektronisches Heulen schien aus den Knochen des Gebäudes selbst zu kommen und der Boden unter dem Pendleton rumpelte, wie er es schon früher getan hatte. Twyla zog Winny eng an sich, während in dem geräumigen Wohnzimmer alles um sie herum verschwamm, als sähe sie es durch eine von Regen überströmte Fensterscheibe. Die viktorianischen Möbelstücke, die edlen Buntglaslampen, die klassischen Büsten auf Podesten, die Kunst und die Farne und der Teppich – all das verlor seine scharfen Kanten und Einzelheiten und schien zu schmelzen. Nur die Menschen blieben in einer zunehmend impressionistischen Kulisse scharf umrissen, als seien der Raum von Monet gemalt worden, die Menschen dagegen von Rembrandt.
    Auf dem Gipfel dieses Phänomens, als das Wohnzimmer der Cupps kaum mehr als eine farbenfrohe Schmiererei war und die Menschen sich ganz im Gegensatz dazu hyperrealistisch ausnahmen, wurde die Erfahrung verwirrend. Klaustrophobie drohte Twyla zu ersticken, als sei der Raum, in dem sie standen, nichts weiter als eine Membran, die in sich zusammensackte, eine Klarsichtfolie, in die sie eingepackt und eingeschweißt wurden. Gleichzeitig wurde sie aber auch von Agoraphobie befallen, denn sie war sich ebenso sicher, dass das Pendleton und die Welt selbst sich auflösen und sie alle in eine lichtlose Leere stürzen würden. Sie sah Martha Cupp, die mit vorgerecktem Kinn resolut dastand wie eine alternde Johanna von Orleans, abgehärtet durch Schlachtfelder und gestärkt durch ihren Glau ben. Die Anzeichen von Furcht beschränkten sich auf ihre Augen: die großen Pupillen wie Spiegelbilder der Mündung von Schusswaffen. Edna Cupps Mund stand nicht etwa zu einem alarmierten Aufschrei offen, sondern voller Verwunderung, wie man sie am Heiligen Abend auf Kindergesichtern sieht; ihre Augen strahlten voller Vorfreude, als sei ihr ein ganzes Leben lang nicht ein Gedanke an ihre Verwundbarkeit durch den Kopf gegangen. Bailey, groß und beherzt, schien mit zusammengekniffenen Augen das Dahinschmelzen des Zimmers weniger mit Furcht oder Erstaunen zu betrachten als mit wachsamer Berechnung, auf der Hut vor der Bedrohung, die sich bestimmt jeden Moment manifestieren würde. Das reizende Gesicht von Dr. Ignis schien nicht in der Lage, seine Gedanken zu verbergen, und die Furcht war ihm ebenso deutlich anzusehen wie sein Erstaunen, da sein Intellekt vielleicht zum ersten Mal von Ehrfurcht überwältigt wurde. Sparkles Miene schien zu sagen: Das schon wieder , als müsste sie längst an solche Schocks gewöhnt sein, und Iris stand mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf da und presste sich die Hände auf die Ohren, um das schrille elektronische Kreischen zu dämpfen. Twyla hielt Winny fest, aber nicht nur aus Furcht, ihn zu verlieren, sondern mindestens ebenso sehr, weil sie ihn als Stütze brauchte: Seit seiner Geburt war er in dieser Welt, die sich schwindelerregend drehte, ihr ruhender Pol gewesen, das, was die Mühsal des Lebens lohnte, das Einzige, was sie davon überzeugte, dass sie nicht Jahre ihres Lebens vergeudet und sich durch ihre Ehe mit Farrel Barnett erniedrigt hatte.
    Das Kreischen in den Wänden und das Rumpeln schwollen im selben Moment zu einem Crescendo an. Stille brach

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