Nachthaus
als wollte man mit einer Steinschleuder einen Kolibri im Flug töten. Als kleines Mädchen hatte sie einmal gesehen, wie grausame Jungen das zu tun versuchten; einen Vogel erwischten die Jungen nicht, aber einer von ihnen traf den anderen an der Stirn, woraufhin er bewusstlos zusammensackte. Edna, die versuchte, die Schleppe ihres Abendkleides nicht auf dem Boden schleifen zu lassen und ihren langen Rock eng um sich zu halten, während sie dahin und dorthin auswich, war von ihrer Schwester getrennt worden. Twyla und Sparkle befanden sich in einem wiederum anderen Bereich des Zimmers. Wenn Martha es wagte, einen Schuss abzugeben, konnte sie unabsichtlich eine von ihnen erwischen.
Es verstand sich von selbst, dass Twyla und Sparkle die Absicht hatten, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit davonzustürzen, um hinter Winny und Iris herzulaufen, und wenn eine von ihnen nicht lebend aus diesem Zimmer herauskam, würde die andere beiden Kindern hinterherlaufen, denn sie waren jetzt alle eine einzige Familie, der es bestimmt war, entweder gemeinsam zu überleben oder zu sterben, und koste es, was es wolle, sie würden niemanden im Stich lassen.
Die Dinger, die einmal Katzen gewesen waren, wurden von diversen unsichtbaren Barrieren abgeschmettert und knallten dabei brutal ineinander, schrien einen Moment lang ihre dämonische Wut hinaus, schleuderten sich in entgegengesetzte Richtungen – und schienen erschauernd zusammenzubrechen, als hätten sie sich zu sehr verausgabt.
Erstaunt darüber, dass sie unversehrt davongekommen waren, liefen Twyla und Sparkle sofort auf den Türbogen zu, durch den die Kinder gegangen sein mussten.
Martha Cupp sagte: »Warten Sie! Hier, nehmen Sie die Pistole.«
Mit einem Blick auf die zuckenden Monstrositäten sagte Twyla: »Behalten Sie sie, Sie werden sie brauchen.«
»Nein«, beharrte Edna. »Die Kinder sind wichtiger als wir.«
»Kommen Sie mit uns.«
»Wir würden Sie nur aufhalten«, sagte Martha, die um die zwei kleinen Bestien herumging und die Pistole jetzt am Lauf hielt. »Sie können doch schießen?«
»Daddy hatte Waffen«, sagte Twyla. »Ich war manchmal mit ihm auf der Jagd, aber es ist lange her.«
Martha drückte Twyla die Pistole in die Hände und sagte: »Na los, gehen Sie, finden Sie die Kinder! «
* * *
Padmini Bahrati
Kleine Klümpchen schimmernden Zeugs rieselten durch gelbe Schatten auf Mr. Sanchez’ Kopf und Schultern. Erst jetzt nahm Padmini wahr, dass etwas Großes an der Decke krabbelte.
In Wahrheit konnte sich die Erscheinung im Innenhof, vor der sie Tom Tran gerettet hatte, nicht an den Rakshasas messen, diesem heimtückischen Dämonengeschlecht in der indischen Mythologie, aber das Ding, das sich gerade von der Decke im Flur abstieß und auf den Rücken von Julian Sanchez sprang, wurde der Rolle schon eher gerecht. Es war dünn, aber stark, grau und unbehaart und hatte einen spitzen Kopf, scharfe Zähne und heimtückische Pranken mit sechs Fingern: Seinesgleichen konnte in jeder jemals ersonnenen spirituellen Unterwelt existieren.
Nach dem ersten Schock und einem Moment der Verwirrung stachen die Strahlen der beiden Taschenlampen zu, parierten, kreuzten sich und zeigten, dass Mr. Sanchez auf die Knie gezwungen worden war. Der Dämon saß auf seinem Rücken, hatte die Krallen seiner Füße in seine Oberschenkel geschlagen, quetschte mit den Knien seinen Brustkorb zusammen und bog mit seinen beiden überdimensionalen Händen den Kopf von Mr. Sanchez nach hinten; Blut tropfte aus einer Bisswunde in der rechten Wange. Das Gesicht des bösen Geistes lag umgekehrt herum auf seinem Gesicht, Mund auf Mund, nicht zu einem widerwärtigen Kuss, sondern wie in einer Ekstase des Verschlingens, mit der Absicht zu töten, lurkao , aber nicht nur zu töten – als saugte er nicht nur jeden lebenserhaltenden Atem aus seinem Opfer, nicht nur das Leben selbst, sondern auch Mr. Sanchez’ Atman , seine Seele.
Die erschreckende Schnelligkeit des Rakshasa, die grauenvolle Intimität seines brutalen Angriffs, Mr. Sanchez’ offensichtliche Unfähigkeit zur Gegenwehr, sein Adamsapfel, der sich hob und senkte, als schlucke er einen Schrei nach dem anderen, weil er diese durch das Vakuum des saugenden Mundes seines Angreifers nicht einmal ausstoßen konnte, die Stille … Dieses grässliche Spektakel wirbelte schlagartig alle längst tot geglaubten Ängste aus Padminis Kindheit vom Grunde ihres Gedächtnisses auf, hauchte ihnen neues Leben ein und ließ sie in ihr
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