Nachthaus
lange so fest zusammen, dass er, falls er überlebte, bestimmt einen Monat lang Verstopfung haben würde. Für kurze Zeit hatte ihn eine Art jugendlicher Abenteuerlust angetrieben und er hatte sich gegruselt, aber die Furcht hatte ihm nicht die Eingeweide zusammengeschnürt. Ohne es wirklich zu merken, hatte er die Grenze vom Gruseln zum echten Grauen überschritten, wahrscheinlich deshalb, weil seine Intuition ihm sagte, was seine Augen und Ohren ihm nicht mitteilten – dass er immer näher an etwas herankam, was ihm die Kehle herausreißen würde.
Selbst wenn er die samtigen Schatten wie einen Tarnum hang um sich hätte ziehen können, hätte er es nicht getan, weil er sich sicher war, dass sich bereits etwas Feindseliges darin eingehüllt hatte und auf ihn lauerte.
Als er um die Ecke in den nächsten Gang zwischen zwei Reihen von Geräten einbog, sah er Iris vor einer riesigen Blase oder Pustel stehen, die sich in der Ecke bildete, wo zwei Wände aufeinanderstießen. Sie war etwa einen Meter zwanzig breit und gut zwei Meter hoch und wölbte sich aus der Ecke heraus, als sei sie ein gigantischer Wasserball. Die Pustel schimmerte schwach, nicht annähernd so hell wie das Pilzlicht und mehr grün als gelb, und man brauchte keine gruselige Musik, um zu wissen, dass sie großen Ärger machen würde.
Winny wollte Iris nicht überraschen, damit sie nicht vor Schreck floh, aber er wollte sich ihr auch nicht lautstark ankündigen. Er schlich also näher an sie heran, kam ihr aber nicht nah genug, um sie zu berühren, wenn er eine Hand ausstreckte, weil die Aussicht, berührt zu werden, vielleicht ausreichen würde, um sie erneut in die Flucht zu schlagen.
Das Gesicht des Mädchens hatte ein zombiehaftes Grün angenommen, aber nur weil das bleiche Licht der Blase darauf fiel. Ihre Augen waren weit aufgerissen und auch in ihnen leuchtete dieses gespenstische Licht. Ihre Lippen bewegten sich, als spräche sie mit jemandem, aber sie gab keinen Laut von sich.
Etwa aus der Mitte des langen Kellerraums kam das Rascheln von der Decke, als rücke etwas stückweise vor, vielleicht einen halben Meter, ehe es wieder stillhielt, um zu lauschen.
Während Winny versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, was er sagen könnte – sein übliches Problem –, sah er sich die Blase genauer an und stellte fest, dass es sich um eine feuchte und straff gespannte Membran handelte, die von einem Aderngeflecht durchzogen zu sein schien, durchscheinend, aber nicht durchsichtig. Das Licht in ihrem Inneren war sehr schummrig, doch er entdeckte etwas darin, etwas Großes und Seltsames.
Dann war die Blase also eine Art Gebärmutter. Früher oder später würde etwas herauskommen. Er hoffte, später.
Iris bewegte weiterhin lautlos ihre Lippen. Da sie nicht wirklich etwas sagte, fragte sich Winny, ob sie vielleicht die Worte bildete, die etwas in der Blase ihr telepathisch sandte.
»Iris« , flüsterte er, und sie drehte den Kopf zu ihm um.
Das Eine
Wenn ihr die ungeheure Kraft meiner Schöpfung sehen könntet, wenn ihr unter denen sein könntet, die im Pendleton lebten und mit der derzeitigen Ernte hättet kommen können, stündet ihr voller Ehrfurcht vor der brutalen Stärke und der vorzüglichen Reglemen tierung dieser neuen Welt. Dann wüsstet ihr, dass sie eures Weitblicks würdig ist, dass nur ihr allein aus der menschlichen Herde – nur ihr allein in der gesamten Geschichte der Menschheit – nicht nur saht, was getan werden musste, um die Dinge richtigzustellen, sondern ihr hättet auch die richtigen Schritte unternommen, um die endgültige Revolution herbeizuführen. Ihr habt ja nicht von mir erwartet, dass ich die Natur neu designe. Ihr hättet euch damit begnügt, wenn ich nur die wuchernde Krebsgeschwulst der Menschheit zurückgeschnitten hätte. Aber ich kenne euer Herz, wie ich die Herzen aller Menschen kenne, und ich bin sicher, wenn ihr sehen könntet, was ich getan habe, würdet ihr es gutheißen. Ich werde einen Boten schicken, durch den ihr, wenn auch nur aus zweiter Hand, das Wunder des Einen sehen dürft.
32 Da und dort
Twyla Trahern
Als sich die Aufzugtüren öffneten, sagte Twyla überrascht: »Martha, Edna«, und Sparkle fragte: »Was tun Sie hier, wohin wollen Sie?«
Schon während sie die Fragen stellten, begriffTwyla, dass sie keine Antworten bekommen würden. Etwas stimmte nicht mit den Cupp-Schwestern, etwas Fürchterliches, und das galt auch für den Sicherheitschef. Marthas Gesicht war weniger faltig als
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