Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
vorbeikommen wollte. Die Nachricht war gerade versendet, als auch von Florian eine Nachricht ankam, in der er ihr zusagte, später ebenfalls herzukommen. Eigentlich hätte Anja gerne alleine mit ihrer Freundin geredet, aber andererseits freute sie sich auch Florian zu sehen. Es dauerte ein bisschen, dann schaffte es die Vorfreude auf den Abend, langsam ihre Sorgen etwas zu verdrängen. Sie unterhielt sich ein wenig mit ihrem Bruder und gemeinsam beschlossen sie, einen kurzen Spaziergang zu dem kleinen Tante-Emma-Laden, den es in der Nähe gab, zu unternehmen. Für sie alle zu kochen, würde sie bestimmt auf andere Gedanken bringen!
22
Mike warf noch einen Blick in den Rückspiegel seines alten Opel Astra, in dem das alte Haus der Familie Lange immer kleiner wurde, dann beschrieb die schmale Straße eine leichte Kurve und er richtete seinen Blick nach vorne. Für einen Stalker, oder auch einen Einbrecher, hatte das Anwesen tatsächlich eine einladende Lage. Es gab nur eine Zufahrt, die man leicht überwachen konnte, die nächsten Nachbarn wohnten einige hundert Meter entfernt und dazwischen gab es einen Streifen Wald mit ziemlich dichtem Unterholz. Eigentlich war es ihm unbegreiflich, warum niemand auf die Idee gekommen war, wenigstens eine Alarmanlage einbauen zu lassen, allerdings wirkte die Einrichtung nicht gerade so, als hätte Anja Langes Mutter auch nur einen Euro übrig, und halbwegs vernünftige Alarmanlagen kosteten richtig viel Geld.
Mike erreichte gerade die ersten Häuser, als das kleine Navi, das er sich gegönnt hatte, nachdem er der Mordkommission den Rücken gekehrt hatte, wild zu piepsen begann. Im Grunde war es wie mit Alarmanlagen – wenn man nicht tief genug in die Tasche griff, bekam man nur Schrott.
Er hielt den Wagen an, startete das Gerät neu und zog, während es nach Satelliten suchte, den Zettel mit der Adresse dieses Behindertenfahrdienstes heraus. Eigentlich hatte er dort nur anrufen wollen, aber seine Erfahrung sagte ihm, dass es besser war, persönlich mit den Fahrern zu sprechen. Mit einer kleinen Taste wählte er mühsam Buchstabe für Buchstabe, bis das Navi ihm endlich die richtige Adresse vorschlug. Darauf hoffend, diese Prozedur nicht wiederholen zu müssen, startete er den Opel und fuhr los.
Das kleine Büro der Firma befand sich nur wenige Kilometer entfernt an Erlangens Stadtrand und schon wenige Minuten später verkündete die blecherne Frauenstimme: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
Das kleine umzäunte Gelände bestätigte den allgemeinen Ruf der Branche. Neben drei funktionsfähig aussehenden Kleinbussen, die schon bessere Tage gesehen hatten, standen auch zwei Fahrzeuge, die offenbar zum Ausschlachten gedacht waren. Als Büro diente ein alter Baustellencontainer, hinter dessen einzigem Fenster eine trübe Lampe leuchtete.
Mike klopfte an, wartete aber nicht auf eine Antwort, sondern öffnete gleich die Tür. Neben einem schmalen Regal mit abgegriffenen Ordnern beinhaltete der Container nur noch einen Tisch mit zwei Stühlen sowie einen alten Schreibtisch, vor dem ein kleiner, fast schon zierlicher Mann in fleckigen Klamotten saß, der, ohne den Blick von seinem Monitor zu nehmen, »Was kann ich für Sie tun?« fragte.
Mike antwortete zunächst nicht, da er damit erreichen wollte, dass ihn der Mann ansah. Nachdem einige Sekunden vergangen waren, ging sein Plan auf und der Mann hob seinen Blick. Jetzt erst sagte Mike, als wäre nichts gewesen: »Guten Tag«, dann reichte er ihm die Hand und stellte sich nun mit Namen vor. Der Mann erwiderte seinen Gruß und fragte dann erneut: »Was kann ich für Sie tun, Herr Köstner?«
Ohne groß drumherum zu reden, antwortete Mike: »Ich würde gerne mit dem Fahrer sprechen, der die Tour nach Dechsendorf fährt.«
Die Mimik des Mannes verfinsterte sich ein wenig: »Warum, hat er Mist gebaut, oder gibt es Grund für andere Beschwerden?«
»Nein, nein«, antwortete Mike mit einer beruhigenden Geste, »ich bin Privatdetektiv und untersuche die Belästigung eines Ihrer Fahrgäste. Ein Mann hat ihn heute nach seiner Arbeit in der Behindertenwerkstatt angesprochen und vielleicht hat Ihr Fahrer diesen Mann gesehen.«
Der Chef des Fahrdienstes schien beruhigt und kooperationsbereit zu sein. Er klickte ein Symbol auf seinem Monitor an, blätterte ein wenig in einer Excel-Tabelle und verkündete irgendwann: »Ah ja, hier ist es. In dieser Woche fährt diese Tour Paul, da Stefan ausgefallen ist.«
»Und wo finde ich diesen Paul?«,
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