Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
schüttelte den Kopf und wollte sich gerade zurück in den Sitz sinken lassen, als fast gleichzeitig zwei Fäuste sowohl gegen seine als auch gegen Mikes Scheibe schlugen. Erschrocken wich Dr. Gruber ein Stück zurück und konnte einen kurzen Schrei nicht unterdrücken. Mike, der ebenfalls zusammengezuckt war, stieß ebenfalls einen Fluch aus, der allerdings mehr sich selbst als den beiden Männern, die jetzt neben seinem Auto standen, galt. Früher wäre ihm das nicht passiert! Wie konnte er nur das Umfeld so vernachlässigen?
Mit einer fließenden Bewegung betätigte er erst die Zentralverriegelung, dann den elektrischen Fensterheber, um die Scheibe ein Stück herunterzufahren. Nachdem er sich wieder etwas gefasst hatte, fragte er aggressiv durch den Spalt: »Was soll das, seid Ihr bescheuert?«
Vor seiner Tür stand ein junger Mann, der seine Strickmütze tief ins Gesicht gezogen hatte und nun näher ans Fenster kam. Nachdem er erst Mike, dann Dr. Gruber gemustert hatte, sagte er von oben herab, aber in erstaunlich reinem Deutsch: »Hört mal zu, ihr zwei Turteltauben. Es ist besser, ihr sucht euch einen anderen Platz, um euch zu vergnügen. Meine Freunde und ich haben keinen Bock auf eine Männer-Peep-Show.« Es folgte ein weiterer Schlag mit beiden Händen auf das Dach des Autos und die Drohung »Also, worauf wartest du alter Sack? Starte deine Rostlaube und verschwinde, oder soll ich das machen?«.
Noch während sich die beiden Typen über den Spruch amüsierten, raunte Dr. Gruber unverständlich: »Das is... e...«
Mike wollte ihn schon mit einer Handbewegung zum Schweigen bringen, hielt aber inne und blickte ihn an: »Was haben Sie gerade gesagt?«
Der Gerichtsmediziner deutete verstohlen zu dem Mann vor Mikes Fenster: »Das ist er. Das ist der Typ mit den Akten.«
Mike überlegte kurz, ließ den Motor an, öffnete aber im selben Augenblick seine Türverriegelung. Zu dem Mann vor dem Fenster rief er durch den Spalt: »Alles klar, wir verschwinden«, doch statt anzufahren, zog er den Türhebel und gab der Tür einen kräftigen Tritt. Da der Mann sich schon etwas weggedreht hatte, blieb ihm nur noch ein Arm, um sich zu schützen, er konnte damit aber nur das Schlimmste verhindern. Mike hatte alle Kraft in den Tritt gelegt. Das Blech traf den Mann am Beckenknochen und brachte ihn ins Straucheln. Mike sprang aus dem Auto, packte ihn mit geübtem Griff und zwang ihn damit endgültig auf den nassen Boden. Da er wusste, dass sich diese Typen nicht gegenseitig im Stich lassen würden, zog er seinen alten, abgelaufenen Polizeiausweis aus der Tasche, hielt diesen in die Richtung, aus der bereits der zweite Mann angestürmt kam und brüllte: »Polizei, bleiben Sie stehen!«
Die jahrelange Übung machte sich bezahlt. Offenbar lag in seinen Worten genug Autorität, um zu beeindrucken. Der Mann wurde langsamer, blieb dann mit genügend Abstand stehen und hob leicht die Hände. Nach einem misstrauischen Blick zu Mikes Ausweis stammelte er: »Ist ja gut, Mann. Wir haben doch nichts gemacht.«
»Und warum dann so nervös? Vielleicht sollten wir eine kleine Razzia aus dieser einfachen Überprüfung machen?« Nun wurde der Mann, der unter ihm lag, aktiv. Er drehte leicht den Kopf, schielte zu Mike herauf und fragte: »Was ist los? Was wollen Sie?«
»Was ich will, ist nicht wichtig. Viel wichtiger ist, was du von Anja Lange willst.« Nachdem einige Sekunden vergangen waren, ohne dass der Mann ihm antwortete, verstärkte Mike seinen Griff und den Druck seines Knies, das nur knapp neben der Wirbelsäule in den Rücken des Mannes drückte. Zeitgleich fragte er erneut: »Also, ich höre. Was wollen Sie von Frau Lange?«
Der Mann stöhnte auf, worauf sein Kumpel einen Schritt näher kam. Mike hielt den Druck aufrecht und befahl dem anderen: »Sie gehen jetzt besser zu Ihren Freunden hinüber und trinken einen Schluck Wodka, dass hier ist ein Vieraugengespräch.« Der Mann rührte sich nicht. Mike steckte seinen Ausweis weg und holte stattdessen sein Handy aus der Tasche: »Also doch Razzia!« Wieder hob der Mann seine Hände, sagte: »Schon gut, schon gut«, wand sich um und ging hinüber zu dem Unterstand, wo ihn die anderen Tagelöhner bereits neugierig in Empfang nahmen.
»So und jetzt zu dir«, Mike ließ dem Mann unter ihm wieder etwas mehr Luft, »ich frage dich jetzt ein letztes Mal. Was willst du von Frau Lange?«
Da der Mann mit einer Wange auf den Boden gedrückt wurde, fiel ihm das Sprechen schwer, dennoch
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