Nachtkrieger: Ewige Begierde
ihren Aufgaben gehört, und allmählich war sie es leid. Sie war es schlicht und einfach leid, und jedes Mal, wenn sie sich bückte, um einen Ast aufzuheben, tat ihr der Rücken weh. Dabei hielt sie sich für jemanden, der sich nicht vor Arbeit scheute. Schließlich hatte sie in Huntingdon nach dem Tod ihrer Mutter die Pflichten der Gutsherrin übernommen. Sie hatte sich um Vorratshaltung und Mahlzeiten für hundert Männer und Frauen gekümmert, und die Beaufsichtigung all der Web-, Spinn- und Näharbeiten hatte sie von morgens bis abends auf Trab gehalten. Doch die Art von Arbeit, die sie in der vergangenen Woche hatte verrichten müssen, hatte sie gelehrt, das harte Leben der Bauersfrauen mit umso mehr Anerkennung zu würdigen. Sie verrichteten die gleichen Aufgaben wie sie selbst, versorgten außerdem noch ihre Tiere, kümmerten sich um ihre Kinder und bestellten gemeinsam mit ihren Männern die eigenen Felder, zusätzlich zu den Diensten, die sie für den Grundherrn zu leisten hatten.
Allerdings mussten sie nicht den ganzen Tag über das Gemüt eines Mannes in Schach halten. Denn ein Teil ihrer Erschöpfung hatte genau damit zu tun, und erst als sie sich bei der Suche nach Brennholz von Steinarr entfernte, stellte sie fest, wie viel Belastung es war. Je größer die Distanz zwischen ihnen war, desto erleichterter fühlte sie sich, und so entfernte sie sich weiter und ließ sich Zeit.
Als sie den letzten Armvoll Brennholz auf den Stapel warf, war Steinarr bereits mit den Pferden zurückgekehrt, hatte ihre Hafersäcke aufgefüllt, vor der Hütte ein anständiges Feuer gemacht und war nun damit beschäftigt, ein paar dicke Scheiben Bacon abzuschneiden, von denen er bereits einige auf Holzstöcke gespießt und über das Feuer gehängt hatte.
Matildas Magen knurrte laut beim Anblick des bratenden und tropfenden Schinkens. Steinarr sah auf. »Hungrig?«
»Aye, Mylord.« Sie atmete tief ein und genoss den Duft. »Wenn es hier so viele Wölfe gibt, wird der Geruch des Fleisches sie nicht anlocken?«
»Das wird dein Geruch auch.« Er griff in den Vorratsbeutel und holte einen Laib Brot heraus, der in ein Tuch gewickelt war. »Für die Tiere im Wald ist alle Nahrung gleich, und du wärst ein besonders zarter Bissen. Schneid ein paar Scheiben Brot ab!«
Sie schnitt zwei dicke Scheiben ab und wollte den Laib wieder einpacken.
»Mehr!«, sagte Steinarr. Er sah zu, wie sie eine weitere Scheibe abschnitt. »
Mehr!
Ich will nicht um Mitternacht schon wieder Hunger kriegen. Und du wahrscheinlich noch weniger.«
Sie sah ihn von der Seite an und wartete auf eine Erklärung für diese sonderbare Bemerkung. Als er ihr keine gab, zählte sie die Fleischstücke und schnitt für jedes eine Scheibe Brot. Steinarr schien damit zufrieden, und sobald der Schinken heiß genug war, lehnten sie sich zurück und aßen schweigend.
Allmählich, während sie ihre Mahlzeit verzehrten, legte sich Steinarrs Zorn. Sie merkte es, ohne von ihrer Fähigkeit Gebrauch zu machen, einzig und allein an der Art, wie sich seine Gesichtszüge entspannten. Sie erinnerte sich an einen ähnlichen Stimmungswechsel am ersten Abend, als er Brot und Käse gegessen hatte. Es schien, als sei er die ganze Zeit kurz davor zu verhungern, und als sei dieser Hunger die Ursache für seinen Zorn oder verstärke ihn zumindest. Vielleicht war es tatsächlich so einfach. Sollte das der Fall sein, musste sie versuchen, dafür zur sorgen, dass er immer genug zu essen bekam. Das würde ihr das Leben leichter machen.
Als sie ihre Mahlzeit beendet hatten, waren noch jeweils drei Scheiben Schinken und Brot übrig. Matilda wollte sie einpacken. »Das werde ich für morgen früh aufheben.«
»Nein. Lass sie liegen. Sie werden heute Nacht noch gegessen.« Er legte sich den Schlauch mit Ale auf den Schoß und drehte den Stöpsel heraus. Dann hielt er den Schlauch in die Höhe und trank einen ordentlichen Schluck. Er verzog das Gesicht. »Beim Gekreuzigten, das
ist
noch schlechter als gestern.«
»Warum trinkt Ihr es dann? Hier gibt es doch reines Quellwasser.«
»Es mag rein aussehen, aber es stinkt nach Schwefel. Und wie dein Freund, der Köhler, gesagt hat, ist schlechtes Ale immer noch besser als gar keins.« Er nahm noch einen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken das Kinn ab, bevor er Matilda den Schlauch reichte.
Da es unmöglich war, an einem Schlauch lediglich zu nippen, hielt sie ihn hoch und trank einen großen Schluck. Hustend setzte sie ihn wieder ab.
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