Nachtkrieger
bekannt.«
»Diese alte Festung fiel oder wurde aufgegeben, My Lord«, sagte Ari. »Die Nachfolger ließen sich sicherlich aus gutem Grund unterhalb nieder. Lord Ivo beschloss, sich an diese Entscheidung zu halten.«
»Das Herrenhaus steht seit Jahren an dieser Stelle, Lord Robert«, fügte Alaida hinzu. »Eine massiv gebaute Burg, die von einer schlagkräftigen Besatzung verteidigt wird, kann wohl einige Jahre länger überdauern.«
Sie hoffte, Lord Roberts Antwort würde ihr eine Gelegenheit bieten, ebendiese schlagkräftige Verteidigung zur Sprache zu bringen, da schließlich ein Großteil ihrer Männer in den königlichen Verliesen hockte. Aber de Jeune nickte nur und sagte: »Mag sein.«
Eine Weile betrachtete er schweigend die Landschaft, bis Alaida auf die tiefstehende Sonne zeigte. »Wir sollten heimkehren, bevor es kälter wird.«
»Mmm.« De Jeune straffte die Schultern und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das ihn sogleich zwanzig Jahre jünger erscheinen ließ. »Wie wäre es mit einem Wettreiten? Meine Männer gegen Eure, von hier aus bis zur ersten Ackerfurche. Der Sieger bekommt von uns beiden einen Preis. Was haltet Ihr davon, My Lady?«
Alaida warf einen fragenden Blick zu Ari, der die Achseln zuckte. Kein Wunder, er hatte ja auch ein schnelles Pferd. »Eine vorzügliche Idee«, sagte er schließlich. »Das wird ein Spaß.«
»Als Wettkampfrichter würde ich Eure Zofe und den Reitknecht vorschlagen, sowie meinerseits Sir Wakelin«, sagte Lord Robert.
Alaida nickte zustimmend, und sogleich machten die drei Kampfrichter sich auf den Weg.
»Nun zu den Preisen.« Lord Robert zog einen dicken Silberring vom Finger und hielt ihn in die Höhe. »Ich werde diesen Ring stiften. Und Ihr, Lady Alaida …?«
Alaida überlegte, ob sie etwas von gleichem Wert bei sich hatte. »Einen robusten Gürtel mit bronzener Schnalle und metallbeschlagener Riemenzunge.«
»Darf ich an dem Wettkampf teilnehmen, My Lady?«, fragte Tom, der den ganzen Nachmittag lang kein Wort gesagt hatte.
»Der Junge soll ruhig sein Glück versuchen«, sagte Lord Robert. Alaida nickte zustimmend.
Die Kampfrichter nahmen ihre Positionen ein, während die Reiter Aufstellung bezogen. Lord Robert hob einen Arm, und als er ihn sinken ließ, galoppierten sie los. Sogleich wollte Alaida die Verfolgung aufnehmen, aber Lord Robert schnitt ihr den Weg ab und griff nach Larks Zaumzeug.
»Wollt Ihr nicht hier mit mir warten, My Lady? Wir müssen noch eine Wette abschließen.«
Alaida sah den Reitern hinterher, die den Hügel hinuntergaloppierten. Ari lag bereits an der Spitze.
»Dann beeilt Euch. Welchen Einsatz fordert Ihr?«
»Sollte einer meiner Männern gewinnen, einen Kuss. Wenn einer Eurer Leute gewinnt … auch einen Kuss.«
Alaida überlief ein Frösteln, was nichts mit dem Wind zu tun hatte.
»Aber, My Lord! Ich bin verheiratet.«
»Und einsam.« Lord Robert zog Lark näher an sein Pferd heran und presste sein sehniges Bein gegen Alaidas Schenkel. »Ihr seid noch nicht lange verheiratet und habt bereits ebenso viel Zeit ohne Euren Gemahl verbracht wie mit ihm. Schon die ganze Woche über sah ich es in Euren Augen: Ihr sehnt Euch nach der Gesellschaft eines Mannes.«
»Ich sehne mich einzig und allein nach meinem Gemahl.«
»Während seiner Abwesenheit sollte doch auch ein anderer genügen. So ist nun einmal der Lauf der Welt.«
»Das gilt nicht für meine Welt.«
Lord Robert lächelte, als hätte er etwas äußerst Amüsantes vernommen. »Es besteht keine Notwendigkeit, den Schein zu wahren, Schätzchen. Wir sind hier ganz unter uns. Ich begehre Euch ebenso wie Ihr mich.«
»Was mich betrifft, befindet Ihr Euch im Irrtum, My Lord.«
»Ihr müsst wissen, dass ich ein sehr rücksichtvoller Liebhaber bin, Alaida. Ich werde Euch großes Vergnügen bereiten, so wie Ihr mir. Ihr braucht nur einzuwilligen.«
Alaida schlug das Herz bis zum Hals. Dieser Mann hatte die Macht, ihr alles zu nehmen: ihren Großvater, ihren Onkel, ihren Ehemann, Alnwick – und ihre Ehre. Wenn sie ihn verärgerte, genügte ein einziges Wort zum König. Lord Robert interpretierte ihr Zögern als Zustimmung und griff ihr mit der freien Hand in den Nacken. Alaida wich zurück, aber sie schaffte es nicht, sich dem festen Griff seiner starken Arme zu entwinden, was sie ohnehin nur aus dem Sattel geworfen hätte. Es war ihm ein Leichtes, sie zu sich herüberzuziehen. Und schon berührten seine Lippen ihre Wange, kalt und trocken.
»Stellt Euch
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