Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
und
stellte für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie einschlafen konnte, den Wecker auf acht Uhr. Es gab zu viel zu erledigen, als dass sie hätte ausschlafen können. Erst als es zu dämmern begann, sank sie in einen rastlosen Schlaf, aus dem sie immer wieder erwachte, um einen Blick auf die Uhr zu werfen, bis sie irgendwann, noch vor dem Läuten des Weckers, aufstand. Nach einer kurzen Dusche machte sie sich in der Mikrowelle einen Instantkaffee heiß, den sie mit ins Bad nahm, um sich dort die Haare zu fönen und sich zu schminken.
Um halb neun blätterte sie bereits, ein Auge auf die Uhr geheftet, im Branchenbuch. Unter »Geldmanager« gab es keinen Eintrag, was sie ziemlich frustrierend fand; worunter sollten solche Menschen sonst aufgeführt sein? Vielleicht wurde sie ja unter »Banken« fündig. Dort erfuhr sie immerhin, dass es im Großraum Chicago haufenweise Banken gab, die gern ihren »Rundum-Service« anpriesen. Was sollte das heißen? Dass sie in ihrer Schalterhalle Kaffee servierten oder beim Auto den Ölstand kontrollierten, während man Geld abhob? Banken waren dazu da, um Schecks einzulösen und Sparkonten zu verwalten. Das war alles. Leider war den Anzeigen nicht zu entnehmen, worin der angepriesene Rundum-Service bestand, sodass sie weiter im Dunkeln tappte.
Sie klappte das Branchenbuch zu und marschierte grollend in der Küche auf und ab. Es gefiel ihr gar nicht, dass sie sich so hilflos vorkam, und es gefiel ihr noch weniger, dass sie im Branchenbuch nicht fündig wurde, nur weil sie nicht wusste, was wo aufgeführt wurde. Aber sie hatte noch nie ein Bankkonto geführt, weil sie nie viel Geld besessen und daher ein Konto für überflüssig gehalten hatte. Ihre Rechnungen beglich sie entweder bar oder sie zahlte den fälligen Betrag am Schalter ein. Das war doch nicht
verkehrt, oder? Viele Menschen machten das so - eigentlich die meisten in ihrem Bekanntenkreis.
Schon jetzt prallte sie gegen die Wand, die sie von Anfang an gespürt hatte - die Wand zwischen dem Leben, das sie bis jetzt geführt hatte, und jenem Leben, das Menschen mit viel Geld führten. Andere hatten diese Wand schon vor ihr überwunden, und sie würde das auch schaffen. Sie musste sich nur schlau machen.
Also schlug sie das Branchenbuch wieder auf, suchte eine der Banken mit »Rundum-Service« heraus, überzeugte sich, dass es inzwischen nach neun Uhr war, und rief dort an. Als eine Frau mit wohlklingender, professionell freundlicher Stimme antwortete, fragte Jenner: »Ich habe Ihre Anzeige im Branchenbuch gesehen. Was bedeutet ›Rundum-Service‹ genau?«
»Das bedeutet, dass wir Hilfestellung bei der Finanzplanung und bei Investitionen leisten. Außerdem bieten wir Finanzierungen für Immobilien, Autos oder Boote an, und Sie bekommen bei uns Ratenkredite und eine Vielzahl von Auszahlungs- und Sparplänen, die auf Ihre persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind«, erwiderte die Frau wie aus der Pistole geschossen.
»Danke.« Jenner legte auf, denn damit hatte sie erfahren, was sie wissen wollte. Finanzplanung. Das hätte ihr auch einfallen können. Schließlich redeten sie im Fernsehen ständig davon. Dauernd taten die Finanzmärkte irgendwas, kamen in Bewegung oder brachen zusammen, drehten sich im Kreis und konnten offensichtlich alles Mögliche anstellen, außer sich selbst am Allerwertesten zu lecken.
Lektion Nummer eins: Was für sie »Geld« hieß, hieß für Menschen mit Geld »Finanzen«.
Sie beugte sich wieder über das Branchenbuch und
schlug unter »Finanzplanung« nach. Hier fand sie eine ganze Liste von Einträgen, deren Namen ihr teilweise aus der Werbung bekannt waren. Außerdem gab es dort mehrere Unterkategorien für Fondsanlagen, Aktien und Anleihen, und es gab Finanz- und Investmentberater sowie Börsenmakler.
Sie ging die Einträge unter »Finanzberatung« dreimal durch und entschied sich dann für eine Firma namens Payne Echols Financial Services. Sie hatten statt eines einfachen Eintrags eine Werbeanzeige drucken lassen, aber keine ganze Seite gekauft, woraus sie schloss, dass die Firma zwar etabliert, aber nicht die größte in der Stadt war. In einem Mammutbetrieb würde man sich vielleicht heimlich über sie lustig machen oder sie, schlimmer noch, über den Tisch ziehen. Eine mittelgroße Firma wäre hoffentlich überglücklich, sie als Kundin zu bekommen, und würde sie daher besser behandeln.
Sich für ein Unternehmen zu entscheiden war nur der erste Punkt auf ihrer Liste, aber schon
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