Nachtkuss - Howard, L: Nachtkuss - Burn
um die Ohren fliegen würde.
Er holte sie ganz sanft auf den Boden zurück - zumindest rein körperlich. Als sie wieder atmen und denken konnte, als ihre Beine sie wieder trugen, löste er ihre Schenkel von seiner Taille und ließ sie an seinem Körper abwärtsgleiten. Einen Moment blieb sie an ihn gelehnt stehen,
ohne die Augen zu öffnen, gefangen zwischen einem Gefühl innigster Zufriedenheit und unerträglicher Verlegenheit.
Er riss sie aus diesem Dilemma. »Ich dachte, du wolltest kein Stockholm-Syndrom entwickeln.« Schockiert und zutiefst getroffen richtete sie sich auf. Er rang genauso um Atem wie sie, aber das war verglichen mit dem, was er gerade gesagt hatte, ein bedeutungsloses Detail.
»Glaubst du wirklich, dass es nur das war?« Mit aller Kraft gelang es ihr, Ruhe zu bewahren. Ihre Stimme bebte nicht einmal. Nur ansehen konnte sie ihn nicht. Sie wusste nicht, ob sie ihm je wieder ins Gesicht sehen konnte. Noch nie hatte sie sich so elend wie in diesem Moment gefühlt, und der Absturz vom Gipfel der Lust in einen Abgrund der Scham erfolgte so abrupt, dass ihr alle Knochen im Leib zu zersplittern schienen.
»Was soll ich denn sonst glauben?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass dich ein Kuss und eine Erektion so aus der Fassung bringen.« Sie gab alles, damit sie möglichst kühl klang, selbst wenn sie die Anstrengung umbrachte. »Ich glaube, du hast Probleme.«
»Wer hatte denn hier den Orgasmus?«
Doch, sie konnte ihn ansehen, stellte sie fest. Zorn bewirkte bisweilen Wunder. »Das«, sagte sie, »ist allein deine Sache. Ich habe bekommen, was ich wollte. Tut mir leid, wenn es dir anders ging.«
Er nahm ihre Hand und führte oder besser zerrte sie zum Strand. »Wir fahren zum Schiff zurück, und dann ziehst du zu Faith und Ryan. Noch heute.«
»Nein«, entgegnete sie.
Er reagierte nicht darauf. »Ich weiß noch nicht, wie wir das erklären, aber da fällt uns bestimmt was ein.«
»Ich ziehe nirgendwohin. Das ist meine Suite. Wenn es
dir bei mir nicht mehr gefällt, dann pack dein Zeug und verschwinde. Du kannst bei Faith und Ryan wohnen.«
Sie stapften nebeneinander aus dem Wasser, bis auch die letzten Wellen zurückblieben. Dann riss sie ihre Hand los, und sie bauten sich voreinander auf wie zwei Duellanten im Wilden Westen.
Zu ihrer Überraschung blitzte in seinem Gesicht ein Lächeln auf. »Warum überrascht es mich gar nicht, dass du nach einem Orgasmus zickig wirst?«
Unglaublich.
Sie klappte den Mund auf, um ihm Bescheid zu stoßen, aber im selben Moment trat eine Familie - bestehend aus Mutter, Vater und zwei halbwüchsigen Jungen - auf den Strand, jeweils beladen mit einer Schnorchelausrüstung und diversen Strandutensilien. Ihr Gespräch mit Cael war beendet - wenigstens vorerst.
Bis auf das letzte Wort. Das letzte Wort gehörte ihr. Sie sagte: »Da sind noch mehr Leute am Strand. Vielleicht solltest du dir ein Handtuch umlegen, mein Großer.«
26
Das Geheimnis einer erfolgreichen Langzeitobservation bestand darin, unsichtbar zu werden und mit der Umgebung zu verschmelzen. In gewisser Hinsicht bot ein Kreuzfahrtschiff die perfekte Tarnung. Im Alltag musste jeder irgendwann Misstrauen schöpfen, wenn er bei der Arbeit, auf der Straße, vor dem Haus und im Restaurant ständig auf dieselben Menschen stieß. Aber wenn man mehr oder
weniger in einem schwimmenden Luxushotel zusammenlebte, erwartete man, tagein, tagaus die gleichen Gesichter zu sehen.
Dessen ungeachtet mussten sie vorsichtig sein, sich immer wieder abwechseln, ihre Tarnung aufrechterhalten.
Cael wusste genau, was er tun musste. Er musste sich auf seine Arbeit konzentrieren und die Frau unter der Dusche aus seinem Kopf bekommen - und aus seinem Blut.
Auch wenn es ihm nicht gefiel, würde er heute Abend mit Jenner an Deck gehen. Eine Kostümparty im Stil der Goldenen Zwanziger stand auf dem Programm. Er hasste diese Scheißkostüme, selbst wenn er dabei einen Hut tragen durfte. Im Lauf des Abends sollte auch eine Junggesellenversteigerung stattfinden, um die er auf jeden Fall einen weiten Bogen machen würde. Die Erlöse der Auktion sollten gespendet werden, darum würde Larkin dort auftauchen. Der Mann war ein echter Partykracher.
Ein Klopfen riss Cael aus seinen Gedanken, aber als er Matts Stimme hörte - »Zimmerservice, Ms Redwine« -, entspannte er sich und ging die Tür öffnen. Irgendwas war los; er hatte nichts beim Zimmerservice bestellt. Faith und Ryan durften sie nicht mehr besuchen, weil inzwischen immer
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