Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
Begegnung zurück. Das Lächeln verblasste und wich einem zurückhaltenden Ausdruck.
Lorena zwang sich, zu ihm zu gehen, obwohl sie in diesem Augenblick lieber davongerannt wäre. »Hallo, Jason, wie schön, dich wiederzusehen«, sagte sie.
»Hallo, Lorena.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinen Noten zu. »Es wundert mich, dass du hier bist, nachdem dir die Musik letztes Mal wohl nicht zugesagt hat.«
Er war gekränkt. Natürlich. Sie unterdrückte einen Seufzer. War das nicht besser, als wenn er ihr Fortgehen gar nicht bemerkt hätte?
Sie schüttelte den Kopf. »Da liegst du völlig falsch. Mir hat die Musik sogar sehr gefallen. Du bist richtig gut geworden. Ich habe Lust bekommen, auch deine Cellokünste zu hören. Ich meine irgendwann, wenn es dir mal passt.«
Das Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. »Warum bist du dann so schnell verschwunden?«
Nun hatte sie so lange Zeit gehabt, sich eine plausible Erklärung einfallen zu lassen, und hatte noch immer nichts Besseres parat als die älteste Ausrede der Frauen. Sie sah ihn verlegen an.
»Ich leide unter Migräne, und wenn es mich überfällt, ist es heftig. Mir wird dann fürchterlich schlecht, und ich muss mich hinlegen. Leider ist Jazzmusik da nicht das richtige Heilmittel.«
Er lächelte ein wenig schief. »Dann spiele ich so schlecht, dass du Migräne davon bekommst? Sehr schmeichelhaft!«
»Nein!«, rief sie entrüstet, doch sie sah, dass er feixte.
»Du hast recht, den Schuh muss ich mir nicht anziehen.«
Erleichtert atmete sie aus. »Dann verzeihst du mir?«
Jason nickte. »Aber nur, wenn wir heute meinen Mitternachtsimbiss zusammen einnehmen.«
Sie starrte ihn an. Wie hatte sie annehmen können, dass es heute anders sein würde? Was konnte sie ihm darauf antworten?
Manchmal werden stumme Gebete erhört, auch wenn man gar nicht damit rechnet.
»Jason?«
Sie wandten sich dem grauhaarigen Trompeter zu, der mit den Augen rollte, dass das Weiße aufblitzte.
»Sei vorsichtig, was du deiner Lady hier versprichst. Wir spielen heute bis eins. Und wenn eine Zugabe verlangt wird, kann das noch ein paar Minuten länger dauern.«
Jason sah sie enttäuscht an, doch Lorena strahlte. »Gut, dann eben kurz nach eins. Die Nacht ist noch lang, oder? Und morgen können wir ausschlafen.«
Jason nickte, und sie konnte seine Freude spüren. »Also, dann viel Spaß und bis später.«
Mit einem beschwingten Gefühl zog sich Lorena an die Bar zurück und nahm ihren Cocktail entgegen.
Kapitel 6
JASON
Das Klopfen der Regentropfen gegen die Fensterscheibe drang in ihr Bewusstsein. Lorena drehte sich auf die andere Seite und zog die Bettdecke bis ans Kinn. Sie genoss die wohlige Wärme, die sie von außen einhüllte, und noch mehr die Wärme, die sich in ihrem Innern ausbreitete, als Bilder der Nacht in ihr aufstiegen. Obwohl der rötliche Schein, der ihr durch die Lider drang, zeigte, dass es längst Tag geworden war, hielt sie die Augen weiter geschlossen und genoss die Erinnerungen.
Sie hatte sich zu ihrer Wandlung in ihre Wohnung zurückgezogen, war aber kurz nach ein Uhr wieder in die Jazzbar zurückgekehrt, wo Jason sie bereits erwartete. Anscheinend hatte er gar nicht bemerkt, dass sie mehr als eine Stunde nicht da gewesen war, jedenfalls sagte er nichts und war guter Stimmung. Zusammen mit den anderen Musikern setzten sie sich im Stockwerk über der Bar um einen runden Tisch, auf dem bereits einige Flaschen Bier standen. Eine junge Frau mit rundem Gesicht und strahlenden dunklen Augen servierte ihnen Fisch und Chips, knusprig und dampfend heiß. Sie stellte Ketchup und Zwiebelringe auf den Tisch und einen Stapel Servietten und wünschte allen einen guten Appetit.
Jason hob ein wenig entschuldigend die Hände. »Es gibt leider nur Fast Food.«
»Was heißt hier nur?«, fiel ihm die junge Frau mit den Rastalocken ins Wort. Sie hieß Adia, spielte Klarinette, und ihre Vorfahren stammten aus Jamaika, wie Lorena in dieser Nacht erfuhr. Sie griff auch gleich zu und verdrehte genussvoll die Augen, während sie in die krossen Fischstücke biss.
Lorena zog sich ebenfalls eines der Körbchen heran und ließ es sich schmecken. »Hm, die sind wirklich sehr gut«, lobte sie.
Der grauhaarige Trompeter nickte. »Ja, auch wenn unsere Mia sonst nicht die weltgrößte Köchin ist, Fisch und Chips kann sie machen.«
»He Elijah, das habe ich gehört!«, rief Mia. Die eine Hand in die Hüfte gestützt, in der anderen einen langen Kochlöffel erhoben, trat
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