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Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Jason nicht. Er würde das sicher verstehen, wenn er von dem Monster in mir wüsste …
    Was für ein Blödsinn!
    Noch immer starrte sie auf die erste Seite, die bisher nur das Datum trug. Zaghaft setzte sie den Füller auf, der sich wie von alleine zu bewegen begann. Die Tinte floss schwungvoll und klar und schrieb Worte und Sätze, von denen Lorena selbst nicht so genau wusste, woher sie plötzlich kamen. Doch es fühlte sich gut an, und so ließ sie es geschehen. Bald schon hatte sie das erste Blatt gefüllt. Sie schlug die Seite um und schrieb weiter. Sie fühlte sich wie getrieben. Immer schneller flossen die Worte aus der Stahlfeder. Aus trüben Nebelfetzen, die sich nicht fassen lassen wollten, formten sich Gedanken. Bilder erhoben sich und schlossen sich zu Erinnerungen zusammen, die sie nie gehabt zu haben schien. Und dennoch wusste Lorena, dass dies keine Hirngespinste ihrer Fantasie waren. Es waren die ersten Bruchstücke dessen, was in den Tiefen der Finsternis so lange verborgen gewesen war und was sie sich so viele Jahre gescheut hatte zu suchen …
    Es war Nacht. Eine dunkle Nacht, in der kein Mond am Himmel stehen würde. Nur ein paar Sterne blinkten am wolkenlosen Himmel. Ich lag in meinem Bett. Es war schon nach elf, aber ich konnte nicht einschlafen. Vielleicht weil mir der Bauch so wehtat. Es war nicht der Magen, wie wenn ich zu viele unreife Pflaumen gegessen hatte. Der Ursprung des Schmerzes war tiefer. Er hatte bereits am Morgen angefangen, und meine Mutter hatte mir erlaubt daheimzubleiben, obwohl mir heute in Englisch ein nicht angesagter Vokabeltest drohte. Aber vielleicht hatte ich vergessen, das zu erwähnen?
    Jedenfalls hatte meine Mutter mir eine Wärmflasche gemacht und mich wieder ins Bett geschickt. Am Nachmittag dann kam das Blut, das immer noch zwischen meinen Beinen hervorquoll, nur dass jetzt die Binde in meinem Slip es auffing. Ich lauschte in mich hinein. Weder die Bauchschmerzen noch das Blut beunruhigten mich. Meine Mutter hatte mit mir darüber gesprochen, außerdem hatten zwei meiner Freundinnen in der Klasse schon ihre Periode. Es war unangenehm, aber nicht sonderlich schlimm. Wenn man Bauchschmerzen hatte, durfte man sich vom Turnunterricht befreien lassen und hatte eine Stunde frei. Das war nicht schlecht.
    Die Zeit verstrich, doch obwohl ich müde war, wurde ich immer unruhiger. Ich konnte kaum mehr still liegen. Es war bereits kurz vor zwölf, als ich die Decke von mir warf und aus dem Bett sprang.
    Was nun?
    Ich brauchte frische Luft. Ich schob das Fenster hoch, lehnte mich ein wenig hinaus und sog wie hungrig die kalte Nachtluft ein, die mich umhüllte. Es war April, und es wehte wie meist in Schleswig-Holstein ein stürmischer Wind von der See her. Doch mir war nicht kalt. Ich schwang die Beine über das Fensterbrett und ließ mich in den Garten fallen. Zum Glück wuchsen unter meinem Fenster keine Rosen. Nur weiche Grasbüschel und ein wenig Lavendel, nach dem mein Zimmer den ganzen Sommer über roch.
    Im Dorf hörte ich die Kirchturmglocke Mitternacht läuten. Hoffentlich erwischt mich Papa um diese Uhrzeit nicht hier draußen , dachte ich gerade, als mich ganz plötzlich der Schmerz überfiel. Das war nicht mit den Bauchschmerzen zu vergleichen, die ich den Tag über gehabt hatte. Diese waren gegen das, was mich nun ergriff, nicht einmal wert, erwähnt zu werden. Überhaupt verblasste alles, was ich in meinem Leben bisher an Schmerzen ertragen hatte müssen: von den Kinderkrankheiten und den fiebrigen Erkältungen bis zu meinem Armbruch, den ich mir beim Inlinern geholt hatte. Das war nichts gewesen!
    Irgendetwas griff nach mir, quetschte mich zusammen und drückte mich zu Boden. Ich hatte das Gefühl, mir würde die Haut vom Leib gerissen, jeder Muskel würde zerfetzt werden und jeder Knochen in tausend Stücke brechen. Die Pein war so unerträglich, dass ich nicht einmal wimmern konnte. Es kam kein Laut über meine Lippen, während ich mich zuckend am Boden wand.
    Davon hatte meine Mutter nichts gesagt. Hatte sie mich deshalb mit diesem mitleidigen Blick angesehen? Wusste sie, dass das Blut erst das Vorspiel war zu dem Entsetzen, das dann folgte?
    Endlich schien der Schmerz abzuklingen, und ich spürte wieder mein Herz, das wie rasend klopfte. Langsam öffnete ich die Augen und sah in den samtschwarzen Himmel, an dem sich die Zahl der Sterne vervielfacht hatte. Ich lauschte meinem eigenen, keuchenden Atem und versuchte vorsichtig, die Arme und Beine zu bewegen,

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