Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
sie in die offene Tür und versuchte sich an einer drohenden Miene, was allerdings nur fröhliches Gelächter bei den Musikern hervorrief. Die anderen beiden hießen Diego und Liam. Liam war der Jüngste der Truppe, spielte seinen Bass aber mit Hingabe. Diego beherrschte neben dem Schlagzeug noch fünf andere Instrumente, und obwohl er in der Runde der Schweigsamste war und jetzt fast introvertiert wirkte, konnte er am Schlagzeug so richtig aus sich herausgehen und hatte für sein Solospiel begeisterten Applaus bekommen.
Nun saßen sie beisammen, scherzten und neckten sich gegenseitig, sprachen über die Musik und neue Stücke, die sie das nächste Mal spielen wollten, oder lachten einfach über Adias Scherze.
Lorena knabberte an den frischen Chips, nippte an ihrem Bier und ließ sich einfach treiben. Sie hatte nicht das Gefühl, ein Fremdkörper unter diesen Leuten zu sein, die sie doch gar nicht kannte. Die Jazzmusiker bezogen sie ganz selbstverständlich mit ein und schoben immer wieder ein paar erklärende Worte nach, wenn sie über Dinge redeten, die Lorena nicht wissen konnte. Es war schon fast drei und die Bar längst geschlossen, als sie sich draußen auf der Straße voneinander verabschiedeten. Jason bestand trotz Lorenas Protest darauf, sie nach Hause zu begleiten.
»Es ist doch nicht weit«, sagte sie, obgleich sie sein Angebot freute.
»Nein? Dann müssen wir eben einen Umweg gehen«, gab er zurück und bot ihr mit einer übertriebenen Verbeugung den Arm.
Lorena schob ihre Hand in seine Armbeuge und schlenderte neben ihm her …
Jetzt, am anderen Morgen, wusste sie nicht mehr, worüber sie alles geredet hatten, nur dass es sich noch immer gut anfühlte. Und der Abschiedskuss, den er ihr vor der Haustür auf die Lippen gehaucht hatte, war sogar noch besser gewesen.
Sie hätte ihn gern hereingebeten, doch er fragte nicht, und sie wagte nicht, es ihm anzubieten. Es war ihr erstes Date – wenn es denn ein Date war. Sollte er sie für leichtfertig halten? Auf einen flüchtigen One-Night-Stand aus? Nein!
Ist das nicht ein wenig altmodisch gedacht? Die Zeiten haben sich geändert!
Wirklich? Lorena war sich nicht sicher. Vielleicht war es noch immer besser, den Mann den ersten Schritt tun zu lassen und nicht beim ersten Date schon gemeinsam im Bett zu landen.
Und auch nicht beim zweiten!, fügte sie in Gedanken scharf hinzu, um die Sehnsüchte zu vertreiben, die in ihr aufstiegen. Außerdem wusste sie ja gar nicht, ob Jason sie wiedersehen und ihre Freundschaft weiter auffrischen wollte. Immerhin hatte er um ihre Telefonnummer gebeten. Das war schon einmal ein guter Anfang. Was allerdings bedeutete, dass sie nun sehnsüchtig auf seinen Anruf warten würde. Sie sah sich bereits den ganzen Sonntag auf ihr Handy starren.
Ganz wie in alten Highschoolzeiten.
Nur mit dem einen Unterschied, dass man sein Telefon nun überallhin mitnehmen konnte und nicht mehr dazu verdammt war, den ganzen Tag auf dem Hocker neben dem Garderobenschränkchen zu sitzen, dass man auch wirklich beim ersten Klingeln abnehmen und nicht etwa Tante Ruby das Gespräch abfangen konnte.
Die Erinnerung ließ Lorena lächeln. Dann stöhnte sie auf, als der Kater mit einem Satz auf ihrem Bauch landete und schnurrend auf ihrer Brust herumzustaksen begann. Lorena öffnete die Augen und sah in das breite, schwarz-weiß gefleckte Katzengesicht. Finley kitzelte sie mit seinen weißen Schnurrhaaren im Gesicht und starrte sie aus grünen Augen an.
» Ja, du bekommst dein Frühstück!«, gab sie nach, schubste den Kater herunter und sprang dann beschwingt aus dem Bett. Es waren fast tänzelnde Schritte, die sie durch den Flur in die Küche führten. Lorena summte vor sich hin, während sie Wasser und Haferflocken in den Topf schüttete. Ihre ungewöhnlich gute Laune noch vor der Mittagsstunde fiel sogar dem Kater auf, der sie argwöhnisch musterte.
Lorena seufzte. »Ist es denn so offensichtlich? Ja, ich bin verliebt. Noch oder wieder, ist ja egal.« Sie kniete sich auf den Boden und knuddelte den Kater, der sich das nur widerstrebend gefallen ließ.
»Er heißt Jason und ist der tollste Junge – nein, inzwischen der tollste Mann, den ich je kennengelernt habe. Du wirst ihn mögen. «
Mit einem Maunzen befreite sich der Kater aus ihrem Griff und zog sich beleidigt in Richtung Bad zurück.
»Finley, bleib! Dein Frühstück ist gleich fertig.«
Doch der Kater hatte bereits das Weite gesucht und machte sich auf die Suche nach einer
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