Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin

Titel: Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
Blick an. Keiner wusste, was sie Schreckliches getan hatte. Und so hatte sie auch ihre Großmutter mit ihrem alten Leben dem Vergessen überlassen.
    Lorena mietete sich in einer einfachen Pension in der Nähe ein Zimmer und ließ sich dort auf das Bett fallen. Sie schlief sofort ein, doch Erholung wollte ihr der Schlaf nicht gönnen. Geisterhafte Finger griffen nach ihr und zogen sie mit sich. Sie reiste mit bangem Gefühl durch die Traumwelt, denn sie ahnte, dass nichts Angenehmes sie erwartete.
    Lorena folgte einer Straße, die ihr bekannt vorkam. Ja, hier war sie früher mit ihren Freundinnen ab und zu entlanggeradelt, wenn sie im Sommer zum See wollten oder im Nachbardorf in die Eisdiele, wo das Eis so viel besser schmeckte. Sie erkannte die alten, knorrigen Weiden, die am Ufer des Bachs wuchsen, der durch feuchte Wiesen mäandrierte. Doch war dies keine laue Sommernacht. Lorena spürte die eisige Kälte, die ihr in die Knochen kroch. Der Boden glitzerte im Schein der Sterne, und sie sah, wie sich eine dünne Reifschicht auf den kahlen Zweigen der Weiden auszubreiten begann.
    Lorena folgte der nächsten Biegung. Ihre Schritte wurden immer verzagter, als ihr klar wurde, wohin sie sie führen würden. Schon stieg ihr der Gestank von verbranntem Gummi in die Nase, der sich mit dem Geruch von Benzin vermischte. Sie fürchtete sich davor, was sie als Nächstes riechen würde: Blut. Frisch vergossenes Blut, mit dem das Leben zwischen dem Wurzelwerk der Pappel versickerte.
    Lorena blieb stehen und ließ den Blick voller Grauen über das rauchende Autowrack schweifen, in dem ihr Vater gerade starb.
    So musste es sich zugetragen haben. So konnte es ausgesehen haben. Es war nur ein Bild ihrer Fantasie. Sie war in jener Nacht nicht dort gewesen. Sie hatte nichts mit diesem Unfall zu tun!
    Lorena mühte sich, den Blick von dem zertrümmerten Wagen zu lösen. Sie ließ ihn über das schwarze Wasser des Bachs, über die Wiesen in der Ferne bis in den Himmel hinaufgleiten. Er war samtschwarz, besetzt mit Tausenden von Sternen, deren Licht von keinem Mond überstrahlt wurde. Lorena stöhnte auf. Nein! Sie musste von hier weg. Schnell.
    Unruhig wälzte sie sich herum, bis ihre Natur sie um Mitternacht wieder erwachen ließ.

Kapitel 15
ERINNERUNGEN
    Lorena verließ die Pension durch das Fenster und ließ sich hinab in die Tiefe gleiten. Sie landete in einem Blumenbeet.
    Rosen und Lavendel. Der Duft stieg ihr in die Nase, obgleich der Lavendel schon lange nicht mehr blühte und nur noch ein paar späte Rosenblüten an den Büschen hingen. Oder war der Duft nur Erinnerung? Daheim hatte ihr Zimmer im Frühsommer immer nach Rosen und Lavendel gerochen. Sie konnte sich selbst in ihrem Bett sehen, wie sie auf dem Rücken lag und diesen beruhigenden Geruch in sich einsog, der durch das offene Fenster hereinströmte.
    Ich konnte die beiden Katzen der Nachbarn hören, die sich im Garten draußen wieder einmal zankten. Im Haus war es still, dann erklang das Weinen eines kleinen Mädchens. Lucys Weinen. Sofort hörte ich Schritte auf der Treppe und die beruhigende Stimme meiner Mutter, die Lucy tröstete. Ich musste nicht lange warten, bis ich auch die Stimme meines Vaters vernahm. So zärtlich. So besorgt. Früher hatte er auch mit mir so gesprochen. Hatte mich gar in den Schlaf gesungen, ja früher, ehe Lucy gekommen war und all seine Liebe und Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Sie war aber auch so ein hübsches Kind und noch dazu von zarter Gesundheit. Natürlich kümmerten sich alle Erwachsenen um sie. Ich war ja schon groß und viel robuster. Ich musste vernünftig sein und das verstehen.
    Unter ihre Erinnerungen mischten sich die Stimmen zweier Männer. Lorena runzelte die Stirn. Sie gehörten nicht hierher. Sie störten! Verärgert öffnete sie die Augen und sah sich um. Sie stand noch immer auf der Rückseite der Pension mitten im Blumenbeet. Wieder hörte sie die beiden Männer, die, nach den Stimmen zu urteilen, vielleicht zwischen zwanzig und dreißig sein mussten. Vielleicht wäre sie in einer anderen Nacht ums Haus gegangen, angezogen wie die Fliege vom Honig, und hätte sich ihnen mit diesem Lächeln genähert, dem kein Mann widerstehen konnte. Dann hätte sie sich den attraktiveren der beiden genommen und wäre mit ihm auf sein Zimmer gegangen. Doch heute lockte sie die Aussicht auf ein Sexabenteuer nicht. Seltsam. Sie fragte sich, wie frei der Nachtmahr in seinen Entscheidungen war. Wurde sie von ihren Trieben

Weitere Kostenlose Bücher