Nachtmahr - Das Erwachen der Koenigin
Gründe.«
»Ja, aber ich weiß nicht mehr, ob sie richtig sind. Du darfst nicht denken, dass ich dich nicht liebe!«
Die alte Dame lächelte. »Das weiß ich doch. Und nun trockne deine Tränen und nimm dir einen Stuhl. Setz dich zu mir und erzähl mir, was dich heute zu mir führt.«
Lorena nickte und gehorchte. Zumindest der erste Teil war einfach, aber wie konnte sie den Grund nennen, der sie hierherführte, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen?
Mir kam der Verdacht, dass du schon seit vielen Jahren weißt, dass ein Monster in mir wohnt, das als Mahr Nacht für Nacht aus mir herausbricht, und dass ich in dieser Gestalt schreckliche Dinge getan habe.
Nein, so ging das nicht. Verlegen zuckte Lorena mit den Schultern. »Ich habe einen Mann kennengelernt, nein, eigentlich kenne ich ihn, seit ich nach England gegangen bin und die Highschool besucht habe, aber nun habe ich ihn wiedergetroffen, und wir haben uns ineinander verliebt.«
Was war das in der Miene ihrer Großmutter? Erschrecken? Warum?
»Und deshalb bist du hier? Du willst doch nicht etwa heiraten?«
Lorena sah sie erstaunt an. »Nein, so weit ist es sicher noch lange nicht. Wir sind erst wenige Wochen zusammen.«
»Und warum kommst du dann zu mir? Er ist sicher nicht der erste junge Mann, in den du dich verliebst.«
»Nein, das nicht«, gab Lorena zu, »doch es ist zum ersten Mal so etwas wie eine Beziehung.«
»Du meinst, er bleibt über Nacht?«
Eine seltsame Frage in der heutigen Zeit, doch die ernste Miene bedeutete vielleicht noch etwas anderes. Dachte sie etwa das, was auch Lorena umtrieb?
»Ja, das ist heute doch normal«, gab sich Lorena ahnungslos.
Ihre Großmutter wiegte den Kopf hin und her. »Ja, das ist wahr, und doch kommst du damit zu mir, nachdem du deiner Heimat drei Jahre lang ferngeblieben bist. Du steckst in Schwierigkeiten, nicht wahr?«
»Nein!«, rief Lorena. Sie wischte sich die Tränen ab, stand auf und ließ sich dann auf einen Stuhl nieder. »Nein, nicht jetzt, nicht mehr als sonst«, fügte sie leise hinzu.
Ihre Großmutter beugte sich in ihrem Rollstuhl vor und tätschelte ihre Hand. »Ich weiß, du hattest es nicht leicht. Und dann musstest du auch noch deine Familie verlieren, Stück für Stück viel zu früh von ihnen Abschied nehmen.«
War da ein Vorwurf in ihrem Blick? Die Anklage, die sie stets in den Augen ihres Vaters hatte lesen müssen?
Nein, nur Traurigkeit und Mitgefühl.
»Ich kann nichts dafür«, stieß Lorena hervor, obgleich sie das nicht hatte sagen wollen. »Ich kann mich ja nicht einmal mehr daran erinnern, was in diesen Nächten geschah. Du musst mir glauben!«
»Ich glaube dir«, beschwichtigte die alte Frau. »Du warst in diesen Nächten nicht du selbst.«
»Wie so oft, seit ich dreizehn wurde«, hauchte Lorena.
Die beiden Frauen sahen einander in die Augen. Im Blick aus den kühlen grauen Augen fand Lorena endlich die Gewissheit, die sie so viele Jahre gesucht hatte: Sie war mit ihrem schrecklichen Wissen nicht allein.
»Kannst du mir sagen, was geschehen ist?«, flehte sie.
Ihre Großmutter wich ein Stück zurück und senkte den Blick. »Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich schon zu viel gesagt und gemacht.«
»Ich verstehe dich nicht. Bitte, wenn du etwas weißt, dann sprich mit mir.«
Was war das in ihrem Blick? Konnte es Angst sein? Vor wem und warum? Fürchtete sie sich gar vor Lorena, weil sie um das wilde Tier in ihr wusste?
»Großmutter, ich würde dir nie etwas antun, bitte glaube mir.«
Else Maschek stieß einen Seufzer aus. »Das weiß ich doch, mein Kind. Ich fürchte nicht um mich. Nicht mehr. Was könnte man mir noch antun? Ich sitze hier und warte auf den Tod. Nein, wenn ich um jemanden fürchte, dann um dich. Ich habe mich schon einmal zu weit vorgewagt und bereue es noch heute«, sagte sie bitter. »Ich habe meine Lektion gelernt.«
Lorena runzelte verwirrt die Stirn. »Was meinst du damit?«
Doch ihre Großmutter schüttelte den Kopf. »Sprechen wir über etwas anderes.«
»Sage mir, was mit mir geschieht!«, beharrte Lorena. »Ich sehe es in deinem Blick, dass du Bescheid weißt. Warum sprichst du nicht mit mir?«
Ihre Großmutter bedeckte die Augen mit einer Hand. »Ach Kind!« Sie seufzte. »Ich bin eine alte Frau. Ich weiß gar nichts.«
»Das glaube ich dir nicht. Du hast es immer gewusst. Warum sonst hast du in diesen Nächten mein Zimmer verschlossen? Du warst es, streite es nicht ab!«
»In diesen Nächten?«
»In den Nächten des Neumonds,
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