Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
machte, dass er noch keinen Geschlechtsverkehr hatte?«
»Glauben Sie, darüber hat er sich mit mir unterhalten? Bei mir hat er sich jedenfalls nicht beklagt. Und ganz nebenbei, andere haben das Problem doch auch, so extrem ist die Situation sicherlich nicht.«
»Manfreds Lösung für das Ihrer Meinung nach nicht so extreme Problem war allerdings äußerst radikal«, wies Dr. Grede mit einigem Sarkasmus in der Stimme auf das Offensichtliche hin. »Fiel Ihnen da wirklich nichts auf?«
»Wofür halten Sie mich? Ich bin eine gute Mutter! Natürlich habe ich Matthias auch aufgeklärt, über den üblichen Gang der Dinge zwischen Mann und Frau. Seine Schwester war ja auch noch da und die hat schon mit viel zu vielen Kerlen rumgemacht. Glauben Sie mir.« Monika Peuker trank einen Schluck von dem Wasser, schnäuzte sich noch einmal und fragte dann distanziert, als hätte sie einen wichtigen Termin einzuhalten: »Wollen Sie noch was wissen?«
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»Die Gutachter werden vor Begeisterung in die Hände klatschen!«, prophezeite Dr. Grede. »Pubertät, Tierquälerei, Sodomie, problematische Geschwisterbeziehungen, ein Sexualmord – kurz: Teenager als Triebtäter. Eine Menge interessanter Psychiatriemist auf einem Haufen!«
Judith schmunzelte über Dr. Gredes Bemerkung. Er hatte vollkommen recht. »Ich kann Ihnen immer wieder nur bestätigen, wie sehr es mich freut, dass wir den Peuker so schnell gefasst haben. Ich bin überzeugt, wenn sich bei dem der Ärger gelegt hätte, wäre er aufs Neue losgezogen. Er hatte ja nicht bekommen, was er wollte.«
Es war Nachmittag geworden. Wie immer nach so intensiven, erfolgreichen Tagen fühlte Judith eine bestimmte Form von Freude, die Befriedigung und Dankbarkeit zusammenführte.
Lisa hatte für Verpflegung gesorgt und so saßen sie in lockerer Atmosphäre beieinander. Dr. Grede berichtete den anderen wieder von den Gesprächen, während Judith Brunner sich stärkte. Nach zwei Leberwurstbrötchen und einem Schinkenbrot fühlte sie, wie sich eine behagliche Trägheit in ihr breitmachte. Sie genoss ihren Kaffee und gestattete sich sogar einige Gedanken darüber, wie sie das nahende Wochenende verbringen wollte. Außer vielem Schlaf und gelegentlichem Essen sah ihr Plan lediglich vor, endlich die kleine Holzbank zu streichen. Das machte ihr Spaß und sie konnte dabei hervorragend abschalten.
»Wir werden uns auch mit dem Bruder befassen müssen, diesem Matthias Boll«, bemerkte Dr. Grede in dem Moment, als Judith Brunner wieder den um sie herum laufenden Gesprächen folgte. »Wer weiß, was in dieser Familie noch alles im Argen liegt.«
Die Männer begannen, über diverse Möglichkeiten sexueller Störungen zu debattieren.
»Kommt diese Charlotte Peuker mit dem Mord an Melli Boll davon?«, fragte Lisa ihre Chefin leise.
»Da muss ich leider passen. Ich habe keine Ahnung, wie wir da was unternehmen könnten. Ich bezweifle, dass die Bolls Anzeige erstatten werden.« Judith beugte sich zu Lisa: »Sie haben doch juristischen Sachverstand in Ihrer Nähe. Fragen Sie Herrn Uhlig, ob er eine Idee hat.« Sie spielte auf die verheimlichte Liebesbeziehung Lisas an. »Ich höre mich auch etwas um. Für heute nur soviel: Ich bin gerne dabei, wenn wir dieser selbstgefälligen Frau ein bisschen Feuer unterm Hintern machen könnten.«
»Danke«, flüsterte Lisa. Dann seufzte sie laut: »Warum haben die Frauen bloß nicht schon eher etwas unternommen?«
Dr. Grede vermutete nach seinen Eindrücken aus dem Verhör: »Monika Peuker schien sich der hochgradig problematischen Entwicklung ihres Sohnes tatsächlich nicht bewusst zu sein.«
Judith Brunner wandte ein: »Ich weiß nicht, ob ich ihr diese Unwissenheit abkaufe. Ich denke, als die Nachricht vom Mord an dem Mädchen die Runde machte, ahnte sie schon, was passiert war. Sie – wie im Übrigen auch die Großmutter – hat an keiner Stelle der Vernehmung bestritten, dass ihr Sohn ein Mörder sein könnte. Natürlich möchte sie das nicht offen zugeben.«
Dr. Renz ergänzte: »Dieses Verleugnen ist sogar nachvollziehbar. Die Frau fühlt ja gewissermaßen eine Mitschuld an dem Tod des Mädchens. Aber: Sie liebt ihren Sohn. Sie sieht die verhängnisvolle Entwicklung von frühster Kindheit an, hat ihn ihrer Meinung nach verantwortungsvoll und gut erzogen – und hat trotzdem nicht verhindern können, dass ihr Sohn zu einem Mörder wurde.«
Judith Brunner vermutete einen weiteren Grund für Monika Peukers Schweigen: »Vor ihrem Mann
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