Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
verbringt die Wochenenden zu Hause oder bei der Oma, anstatt mit Gleichaltrigen unterwegs zu sein. Ihre Einschätzung ist recht unvollständig.«
Monika Peuker schnaubte unwillig: »Macht das nicht jeder mal, als Junge? An Tieren rumprobieren?«
»Frau Peuker! Was Manfred getan hat, ist alles andere als ein Doktorspielchen! Ich kann nicht glauben, dass Sie den Unterschied nicht erkannt haben.«
Monika Peuker sah aus dem Fenster und tat, als ringe sie mit etwas. Dann sagte sie: »Das hat er bestimmt von meinem Bruder. Der muss ihn dazu angestiftet haben. Die beiden haben sich immer gut verstanden.«
»Was hat Ihr Bruder ihm gezeigt?«, fragte Dr. Grede.
Er bekam keine Antwort.
»Das ist doch keine schwierige Frage, Frau Peuker.« Judith Brunner blickte sie aufmunternd an.
Monika Peuker holte tief Luft. »Er hat Manfred gezeigt, wie man sich befriedigen kann.«
»Im Prinzip ist daran nichts auszusetzen, wenn es nicht zu Missbrauch –«
»Nein! Niemals!«, unterbrach Monika Peuker laut. »Das bestimmt nicht.«
»Sondern?«
»Nun, sie nahmen Tiere. Also, nicht direkt, ich meine, sie haben nicht mit den Tieren … sondern eben mit Gegenständen.«
Dr. Grede wechselte seine Sitzhaltung. Allerdings wurde sein Unbehagen davon nicht besser. »Ich verstehe das nicht! Wie konnten Sie das zulassen! Sie wussten von dem Verhalten Ihres Bruders und haben diesem Mann Ihren Sohn überlassen?« Wer saß hier vor ihm? Die Frau sah völlig normal aus, war sogar recht hübsch. Hatte einen guten Beruf, eine Familie, schien intelligent zu sein. Was war da passiert?
Als hätte Monika Peuker seine Gedanken gelesen, rechtfertigte sie sich: »Wir alle haben das mit meinem Bruder gewusst, auch unsere Eltern. Auf dem Hof gab es ab und zu verletzte Tiere. Mein Vater hat den Matthias dann verdroschen, richtig hart mit dem Gürtel. Er hatte ihm verboten, die Tiere so zu fütern. Ansonsten ist mein Bruder kein schlechter Mensch! Er war der Mann in meinem Haus, ich meine, natürlich nur für Manfred.«
Manfred Peuker hat die eigenartige Begrifflichkeit also vom Boll’schen Familienzweig übernommen, registrierte Judith Brunner für sich.
»Keiner hat da richtig was unternommen. Alle hofften wir, das legt sich von alleine«, fuhr Monika Peuker fort, ihre passive Haltung zu verteidigen. »Meine Geschwister hätten sich genauso gut um Matthias kümmern können. Warum ich es getan habe? Ich bin die Jüngste. Zu mir war er immer sehr nett. Er ist mein Bruder. Blut ist nun mal dicker als Wasser. Ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen.«
Judith Brunner hatte es satt, sich diese Banalitäten anzuhören. »Das erwartet auch niemand. Aber Sie hätten trotzdem etwas unternehmen müssen. Vielleicht wäre Ihr Sohn dann nicht zum Mörder geworden.«
»Was hätte ich denn tun sollen? Manfred anzeigen und ans Messer liefern? Wie es seine ach so liebe Großmutter offensichtlich getan hat?« Jetzt flossen Tränen der Empörung über Monika Peukers Gesicht.
Dass Rudolf und Marianne Boll ihren Bruder nicht wieder auf dem Hof, bei den Tieren, haben wollten, leuchtete Judith Brunner noch ein. Dass die Geschwister die Vorfälle aber ebenfalls verschwiegen hatten, konnte sie nicht nachvollziehen. Erst recht nicht, nachdem ihr Hütehund so aufgefunden worden war. Eigentlich hätten sie sofort an das schwarze Schaf unter ihnen denken müssen. Stattdessen hatte Rudolf Boll die Hetzjagd auf einen Unschuldigen initiiert. Judith Brunner durchfuhr ein kalter Schauer bei dem Gedanken, was noch alles rund um diese Familie aufgedeckt werden könnte.
Dr. Grede bohrte weiter: »Wusste Ihr Mann eigentlich davon?«
Monika Peuker zuckte bei der Erwähnung ihres Ehemannes herablassend mit den Schultern. »Das von meinem Bruder? Eher nicht. Ich habe es ihm bestimmt nicht erzählt. Und wir trennten uns, als Manfred noch nicht einmal in der Pubertät war. Matthias zog dann zu uns und, na ja.« Ihre Schultern hoben sich erneut. Mehr als Gleichgültigkeit war dieser Geste nicht zu entnehmen.
Judith Brunner übernahm wieder. »Hm. Kommen wir zur Tat Ihres Sohnes zurück. Er hat uns erzählt, dass er schon öfter unterwegs gewesen war, um nach einem Mädchen Ausschau zu halten, mit dem er dann gleich Sex haben wollte. Normales Werbeverhalten war ihm gar nicht in den Sinn gekommen. Er hatte sich sogar bewaffnet, um das Mädchen gefügig machen zu können.«
Dieser Schilderung hörte Monika Peuker reglos zu.
»Hatten Sie eine Ahnung, welche großen Probleme es Ihrem Sohn
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