Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
einleiten.«
»Da ist noch was.« Walter berichtete von Lothar Mirow.
Judith erkannte, wo das Problem lag. »Das ist keine gute Nachricht. Ich rufe gleich bei Grambow an. Er soll sofort bei dem Mann vorbeisehen.«
~ 32 ~
»Fritzi, wo sind die Würstchen? Du kannst nicht schon wieder alle weggefuttert haben!«
»Nur zwei!«, sah Fritzi seine Mama unschuldig an.
Walter grinste. Als ihm während des Gesprächs mit Judith eingefallen war, dass Mario Boll seine Suche nach dem Hund eher mit einem seiner Spielkumpel als mit einem Erwachsenen besprochen haben würde, hatte er sofort einen Kandidaten im Sinn: Fritzi Bauer. Sein täglicher Besuch bei der Familie stand sowieso noch aus. Elvira Bauer hatte ihm einen Kaffee angeboten, und als sie die Milch aus dem Kühlschrank nehmen wollte, war ihr das nahezu leere Würstchenpaket aufgefallen.
Sie versuchte, streng zu klingen. »Die sollte es heute zum Abendbrot geben, für jeden zwei Paar. Jetzt haben wir nur Brot und Tomaten. Und noch ein einziges Würstchen ist da. Wo sind die anderen?«
Angesichts des einsamen, dünnen Würstchens, das ihm seine Mutter in dem Fettpapier entgegenhielt, half eigentlich kein Leugnen – dazu im Angesicht der Polizei. Fritzi verehrte Walter wie einen Heiligen, und der hatte ihm einmal gesagt, dass er zu seiner Mama immer ehrlich sein musste. Doch einen Freund verraten?
Walter ahnte die Nöte des Jungen. Fritzis Blicke wurden immer verzweifelter.
»Sag es deiner Mama ruhig«, forderte Walter ihn auf, hoffend, dass sich seine Vermutungen auf diese einfache Weise bestätigten.
Was blieb Fritzi übrig? Zwei Erwachsene gegen ein Kind! Das war gemein! »Mario hat sie.«
»Was will Mario denn mit so vielen Würstchen?« Elvira Bauer staunte.
»Na, für sich. Und wenn er Milla findet, hat die bestimmt auch Hunger.«
»Du meine Güte! Da hätte es etwas altes Brot aber auch getan!«, war Fritzis Mama überzeugt.
»Das schmeckt Milla aber nicht so gut.«
»Ach so?« Elvira Bauer unterdrückte ein Grienen. »Dann gehst du jetzt bitte in den Keller und holst zwei kleine Gläser Wurst hoch. Verstanden? Und dann gehst du noch einmal und bringst vorsichtig die restlichen Eier mit. Dann wird das unser Abendbrot. Das letzte Würstchen heben wir für Dany auf. Du weißt, dass sie die gerne isst.«
Diese Reservierung wurde ohne Murren akzeptiert. Für seine Schwester konnte Fritzi schon mal auf ein Würstchen verzichten. Obwohl sie ein Mädchen und zwei Jahre älter war als er, sie ihn manchmal ärgerte oder sogar nervte. Aber er hatte von seinen Freunden erfahren, dass denen das mit ihren Schwestern auch nicht anders ging.
Fritzi verschwand in Richtung Keller.
Walter fragte Elvira: »Kommst du zurecht?« Immerhin war Leon nicht da und er wusste, wie sehr die beiden aneinander hingen. Leon Ahlsens war vor knapp einem Jahr aus dem Gutshaus aus- und mit in das Haus von Elvira und ihren beiden Kindern eingezogen. Elvira Bauer hatte jede Unterstützung verdient. Mit ihrer lebhaften Auffassung von Chic und mit ihrer gelassenen Art, mit den Kindern umzugehen, war sie bei ihrer Ankunft vor ein paar Jahren von vielen im Dorf mit einer Mischung aus Geringschätzung oder Eifersucht beäugt worden. Heute trug sie knallrote Hotpants und ihr tief ausgeschnittenes, lässiges Shirt passte farblich zu den veilchenfarbenen Pantoffeln, die ihre hübschen Füße zierten. Bunte Perlenarmbänder an beiden Handgelenken sahen so aus, als hätten Kinderhände sie gefädelt. Elviras frühere Ehe hätte man bestenfalls als Desaster beschreiben können und auch in Waldau musste sie anfangs Schlimmes erleben. Die unkonventionelle Liebe zwischen ihr und Leon hatte sie stark gemacht und nun war ihr Baby, der kleine Henry, da. Gesund und munter! Walter hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Glück zu beschützen, und Leon wusste, dass er sich dabei immer auf seinen Freund verlassen konnte.
Als Elvira auf seine Frage hin versicherte »Alles bestens«, beschloss Walter, sich auch nicht weiter verrückt zu machen.
Fritzi stellte die Wurstgläser auf den Tisch und ging, um die Eier zu holen.
»Und morgen gehst du gleich nach dem Frühstück zum Konsum und kaufst neue Würstchen für das Abendbrot. Erst danach darfst du raus zum Spielen.«
Wenig begeistert von der Bestimmtheit seiner Mama sah Fritzi Hilfe suchend zu Walter.
»Ich finde, du solltest zufrieden sein«, riet der ihm. »Alles in allem kommst du gut dabei weg. Deine Mama hat recht, etwas Brot hätte
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