Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)
breitbeinig sitzend mit seinem Stuhl nach hinten zu kippeln. Seine Handflächen legte er auf seine Brust und begann, mit den Daumen auffällig über seine Brustwarzen zu kreisen.
Eine lauernde Stille entstand.
Judith Brunner trug keinen Rock. Die Bemerkung war ganz sicher nicht als Kompliment gemeint und Heppners Gesten waren ebenso wenig ein Zeichen von Nervosität. Er wollte mit sexuellen Anzüglichkeiten provozieren.
»Sie sollten zum Optiker gehen und nach einer Brille fragen. Mit Ihren Augen ist etwas nicht in Ordnung, Herr Heppner.« Judith schleuderte ihm den freundlichsten Blick zu, den ihre plötzliche Wut zuließ. Sie hatte den Sexualmord an einem Mädchen aufzuklären. Das ging ihr sehr nahe und kostete sie viel Kraft. Und dieser Idiot hatte nichts Besseres zu tun, als eine Show abzuziehen, um sie zu verunsichern! Sah sie so anspruchslos aus, dass sie auf eine miese Bauarbeiteranmache reagieren würde? Sie ging auf Heppner zu, blieb ganz dicht neben ihm stehen und beugte sich herab, um ihm direkt in die Augen sehen zu können. Sie erkannte nur Verachtung darin. »Möchten Sie sich jetzt benehmen oder soll ich Ihnen noch etwas Zeit lassen, bis Sie sich wieder eingekriegt haben? Wir können auch später wiederkommen.«
Heppner linste grinsend an ihr vorbei zu Dr. Grede, auf etwas männlichen Beistand bauend.
Damit war er allerdings beim Falschen gelandet. Grede sah ihn auf eine eigenartige Weise, irgendwie gespannt, an. Judith Brunners feminines Wesen und ihre Eleganz hatten schon öfter Leute verführt, ihre Kompetenz zu übersehen oder sie infrage zu stellen. Ihr behutsamer Umgang mit den Opfern von Verbrechen und die Strenge und Ausdauer, mit der sie die Täter verfolgte, hatte die meisten recht schnell vom Gegenteil überzeugt. Woher sollte dieser Typ wissen, mit wem er es hier zu tun hatte? Grede wartete innerlich amüsiert, wann Heppner seinen Irrtum erkennen würde.
Judith Brunner berührte mit einer blitzschnellen Handbewegung Heppners Stuhllehne. Da er gerade wieder schwungvoll nach hinten gekippelt war, reichte ein winziger Impuls.
»He! Was soll die –«, konnte Heppner gerade noch rufen, bevor er hart auf dem Rücken landete und vor Überraschung und Wut kaum noch atmen konnte. »Scheiße … Blöde Kuh!«, jaulte er.
Dr. Grede schob Judith Brunner ungerührt einen Stuhl auf der anderen Seite vom Tisch zurecht. Er selbst setzte sich neben die Tür, um den Mann von dummen Fluchtideen abzuhalten.
»Kommen Sie zu mir, Herr Heppner, oder möchten Sie die Vernehmung lieber da unten auf dem Linoleum liegend absolvieren?« Judiths Brunners Stimme klang ungemein freundlich, als sie ihm bedeutete, ihr gegenüber am Tisch Platz zu nehmen.
Mit so viel Würde, wie es unter diesen Umständen möglich war, rappelte Heppner sich auf. Seine Entrüstung war heftig. »Das dürfen Sie doch gar nicht! Scheiß Staat, überall Willkür! Na warten Sie, das werden Sie noch bereuen.«
Als er mit seiner Tirade weitermachen wollte, unterbrach Judith Brunner ihn: »Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, uns vorzustellen. Ich bin Judith Brunner und leite diese Dienststelle. Und das ist mein Stellvertreter, Dr. Grede. Setzen Sie sich hin.«
Heppner blieb stur stehen und starrte sie böse an.
Judith Brunner registrierte, wie Grede sich aufsetzte, bereit, jederzeit einzugreifen. Sie meinte gelassen: »Wie Sie wollen. Herr Heppner, wir haben Sie hergebeten, um uns mit Ihnen über den Angriff auf Ihren Nachbarn Lothar Mirow zu unterhalten.«
Heppner schnaubte: »Iss nich’ mein Nachbar, zum Glück. Wenn ich mir den schwachsinnigen Idioten jeden Tag ansehen müsste – na schönen Dank auch.«
»Schwachsinnige Idioten gibt es nicht«, bemerkte Judith Brunner trocken. Sie wollte Heppner ärgern. »Nur idiotische Schwachsinnige. Zumindest bis vor ein paar Jahrzehnten. Das würde Ihnen jeder Psychiater erklären können. Also, wenn Sie schon andere beschimpfen, dann geben Sie sich doch bitte etwas Mühe und machen Sie es richtig.«
»Sie ham se doch nich’ mehr alle!«, schimpfte Heppner fassungslos.
»Und Sie mögen Lothar Mirow nicht.«
»Ich bitte Sie! Der …«, Heppner schien tatsächlich nach einem korrekten Begriff zu suchen, »… tickt doch nicht richtig!«
»Inwiefern?«
Schwungvoll nahm Achim Heppner nun doch wieder Platz. »Sie sind gut! Halten Sie es für normal, wenn ein Kerl seit Jahren in denselben Klamotten rumläuft? Keiner weiß genau, was der treibt in seiner Bude. Der hat nich’ mal ’n
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