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Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition)

Titel: Nachtnelken - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners vierter Fall) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Schroll
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nicht, wieso du am Küchentisch eingeschlafen bist und dein Nacken sich anfühlt wie Beton. Was hattest du gehofft zu finden?«
    »Irgendwann nach Mitternacht habe ich den Versuch, einzuschlafen, aufgegeben und meine Unterlagen wieder rausgekramt.« Eigentlich hatte Laura gestern alles weggeräumt, denn die wesentlichen Ordnungs- und Beschreibungsarbeiten waren geschafft. Ein paar Tage Abstand würden wie immer helfen, einen klaren Kopf und die nötige Distanz herzustellen, um frische Anregungen und neue Einsichten zu ihrem Thema zu gewinnen. Dieses bewährte Verfahren musste nun allerdings zurückstehen. Die Zeit gab es einfach nicht. »Ich habe alles notiert, was ich über die Häuser und ihre Bewohner noch aus der Erinnerung wusste. Viel war’s nicht gerade. Wenn man bedenkt, wann die Zinken aufgemalt worden sind – da war ich vielleicht noch gar nicht auf der Welt ... Na, jedenfalls war mir nach anderthalb Stunden mehr oder weniger sinnlosen Grübelns klar: Das alles hilft kein bisschen weiter.«
    Walter beendete seine Massage. »Du machst dir zu viele Sorgen, glaub mir. Judith war gestern Abend einfach nur fertig und sah überall Gespenster. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie dieser Mord sie mitnimmt. Der Tod des Mädchens macht ihr mehr zu schaffen, als man annehmen müsste, und sie will eben nichts übersehen. Sie schläft kaum noch. Aber Zinken als Hinweise für Kinderschänder oder Vergewaltiger! Von so etwas hätte man doch schon mal gehört.«
    Wilhelminas Geduld war mittlerweile am Ende. Sie saß vor dem Kühlschrank und begann kläglich mauzend auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, als wäre sie dem Hungertod geweiht, wenn nicht umgehend ihr Schälchen gefüllt würde.
    Walter entnahm dem Kühlschrank ein Päckchen. Trotz des zusätzlich darum gewickelten Bogens der »Altmärkische Volksstimme« von vorgestern entwich dem Ölpapier schon vor dem Öffnen ein äußerst deftiges Aroma. Wilhelmina begann sofort damit, Walter mit festem Blick und lautem Schnurren zu hypnotisieren. Als Lohn bekam sie zwei geräucherte Sprotten von seiner Hälfte, die er für das Frühstück aufteilte, ab. Nach wenigen Sekunden war klar, dass die Katze bereit war, einen neuen Rekord im Fischevertilgen aufzustellen. Walter opferte ein weiteren Fisch. Besorgt fragte er: »Nach wie vielen Sprotten würde Wilhelmina platzen?«
    »Du darfst dich ruhig an meinen mit bedienen«, bot Laura großzügig an. »Das bin ich dir nach deiner professionellen Massage schuldig.«
    Walter grinste und setzte Wasser für den Kaffee auf. »Angenommen.«
    Als er Laura ein Brötchen aufschnitt, sagte er, wieder zum Thema kommend: »Auch wenn ich in der Sache recht skeptisch bin, so habe ich Judith dennoch versprochen, weiter ein waches Auge auf die Zinken zu haben. Nicht zuletzt deshalb, weil die Angelegenheit mit dem verstümmelten Hund immer noch ungeklärt ist und eine wichtige Rolle spielen könnte.«
    Laura nickte, inzwischen wesentlich munterer. »Vergiss unseren unheimlichen Psalm nicht. Schwere Sünden und so weiter. Was wäre, wenn Judith recht hätte? Stell dir das doch mal vor … hier bei uns, in Waldau! Es muss eine andere Erklärung als ihre geben.« Sie trank einen Schluck Kaffee, griff zu einem alten Ordner, der auf der Lehne des Küchensessels lag, und fuhr fort: »Ich grübelte heute Nacht noch mal über mein Studium und holte das Zeug wieder hervor. Paläografie. Ich hab dir davon erzählt.«
    »Klar erinnere ich mich, Laura, das war nämlich erst vor zwei Tagen«, mahnte Walter sacht.
    »Nun, pass auf. Ich irrte mich, als ich annahm, die Zinken sind Zeichen für Diebe. Also, es sind schon Zeichen für Diebe, aber nicht nur. Hier: die Mitschriften von meinem damaligen Seminar. Zum Glück liegen sie immer noch hier; in Berlin hätte ich auch gar keinen Platz mehr dafür. Es ist fast fünfzehn Jahre her und das hier hatte ich vollkommen vergessen.« Sie schob Walter den Ordner rüber.
    In ordentlicher Mädchenhandschrift war da eine Liste zu lesen: Diebe, Bettler, Hausierer, Landstreicher, fahrende Handwerker, Scherenschleifer. Die Aufzählung war lange noch nicht beendet. »Nicht sesshaft«, war zusätzlich am Rand notiert, und »Geheime Kommunikationsform«.
    Walter blätterte um. »Warum fällt dir das jetzt erst ein? Hast du nicht neulich schon hier drin gesucht? Und wessen Schrift ist das?«
    Laura gab sich Mühe, gelassen auszusehen. »Das sind nicht meine Mitschriften. Ich war nicht immer eine vorbildliche Studentin und

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