Nachtpfade
über
Sachbeschädigung und schwere Körperverletzung auch nicht. Mit gesenktem Kopf
war er gegangen.
Damit konnten sich jetzt die Kollegen befassen,
Gerhard und Evi hatten einen Mord aufzuklären, und nun kam doch Bewegung in die
Sache. Evi hatte Reitmair schon angerufen und um Unterstützung gebeten. Na,
dann würden sie mal wieder nach Miesbach fahren, und weil Gerhard das Gezuckel
nun wirklich satthatte, setzte er Blaulicht ein. Das tat er selten, aber es
bescherte ihm herrlich freie Straßen.
Als sie wieder im Foyer der Friedl Bau standen, war
der Kollege Reitmair schon da. Noch braungebrannter schien er, und seine
Begrüßung für Evi fiel ebenfalls noch begeisterter aus. Der große allmächtige
Chef war auf einer Dienstreise in der Schweiz, das hatten sie bereits am
Empfang erfahren, er würde aber demnächst zurück sein. Der Empfang war besetzt
von jener jungen Frau, die Friedl beim letzten Besuch so böse unter der
Gürtellinie abgekanzelt hatte.
Der Herr Pressesprecher war am Telefon, als sie
eintraten. Die Brille war wirklich affig, fand Gerhard, mehr noch der
abgespreizte kleine Finger. Er telefonierte anscheinend gerade mit einer
Zeitung. Friedl Bau war mal wieder irgendwo großzügig als Sponsor aufgetreten,
und in wohlformulierten Worten säuselte die magere Brillenschlange nun ins Telefon.
So wie er das Engagement seines Chefs beschrieb, war der einfach engelsgleich
und beseelt vom Auftrag, Gutes zu tun. Als der Mann aufgelegt hatte, raunzte er
unfreundlich: »Hören Sie immer den Gesprächen anderer Leute zu?«
»Gegenfrage: Bestechen Sie immer dumme Bauernschädel,
damit Kutschen kippen und Menschen schwer verletzt werden?« Gerhard knallte ihm
das Bild von der Geldübergabe auf den Tisch. »Wagen Sie es bloß nicht, mir
irgendeine dämliche Geschichte aufzutischen!«
Der Pressesprecher tat etwas, womit er sich in seinem
Job eigentlich disqualifizierte: Er schwieg.
Gerhard drehte das Bild ein wenig. »Damit Sie es
besser bewundern können. Sehen Sie hin! Es ist zwar keine Meisterleistung der
Fotokunst, aber es zeigt eindeutig Sie und einen Schönberger Burschen namens
Martin Neuner. Der hat von Ihnen sechshundert Euro erhalten, weil er die
Kutsche eines gewissen Manfred Weinling sabotieren sollte. Eine kleine Drohung
haben Sie ihm auch noch mit auf den Weg gegeben. Wir hätten da also den
Tatbestand der Bestechung und Anstiftung zu schwerer Körperverletzung.«
»Moment!«, kam es vom Pressesprecher.
»Sieh an, sieh an, das ist ja doch noch Leben in dem
Mann. Es hat ihm doch nicht die Sprache verschlagen. Also?« Gerhard sah ihn
scharf an.
Gretschmann schien nun wohl beschlossen zu haben, die
Flucht nach vorne anzutreten. »Es war nie die Rede davon, dass Menschen
verletzt werden sollen. Der Bursche sollte dem Herrn Weinling nur einen kleinen
Wake-up-Call zukommen lassen.«
»Ein Wake-up-Call, das ist ja niedlich! Und es war
nicht die Rede davon, dass Menschen verletzt werden sollen. Na, das ist doch
fein.«
»Ich leugne ja gar nicht, dass ich diesem Neuner das
Geld übergeben habe, aber Herr Weinling sollte wirklich nur einen kleinen
Denkzettel bekommen.« Gretschmann wurde zunehmend unsicherer.
»Ach so, jetzt ist es ein Denkzettel. Und Sie wollen
mir jetzt sicher erklären, weswegen Sie mit Herrn Manfred Weinling im Clinch
liegen, oder?«, rief Gerhard.
»Nein, das will ich nicht.«
»Ach, und Sie glauben, das genügt mir? Soll ich es
Ihnen sagen?« Gerhard wartete einen Moment. »Gut, dann sage ich es Ihnen, mein
Bester: Das hat Ihnen Ihr Chef aufgetragen, weil der Manfred Weinling ihn bei
uns verpfiffen hat. Weil er uns von der reizenden Nachtjagd gesungen hat. Ihr
Chef, der Widerspruch und Widerstand niemals, nirgendwo und von keinem duldet,
der hat sich zu diesem kleinen Wake-up-Call entschlossen.«
»Unsinn, das war meine Idee. Ich habe meine Gründe«,
sagte der Pressesprecher und wischte sich mit einem Seidentuch Schweiß von der
Stirn.
Gerhard ging langsam um den Tisch herum und beugte
sich zu dem Mann hinunter. »Ihre Idee, soso. Ach ja, noch was: Haben Sie auch
die SMS geschrieben?«
Nun war Gretschmann aus dem Konzept geraten. »Welche SMS ?«
»Na, die Droh- SMS an Manfred Weinling.«
»Äh, ja. Ja, ja – die auch. Das war mir entfallen.«
Gerhard war sich hundert-, nein tausendprozentig
sicher, dass die SMS von Friedl
stammte. Gretschmann hatte keine Ahnung davon gehabt. Der lief gerade ins
offene Messer, und das hatte Friedl wahrscheinlich so gewollt. »Dann
Weitere Kostenlose Bücher