Nachtpfade
nette Kopfbildchen platziert,
die die wichtigen Menschen bei Friedl Bau zeigten: die Sekretärin, die Gerhard
schon kennengelernt hatte, einen Bauleiter, einen Architekten und so fort – und
einen Pressesprecher. Sein längliches Gesicht war mager, und er trug eine
extrem stylische Brille in Schwarz, die der Opa der Informantin sicher nicht
besaß. Die des Pressesprechers war wahrscheinlich von Dolce & Gabbana oder
einem anderen Stylisten, sie war von jenen Designern, die aus ehemaligen
schweren Kassengestellen nun Kult zu machen verstanden. Das war der Mann,
eindeutig. Hier nun gestochen scharf und mit einem Lächeln, anders als auf dem
Handy, wo er etwas verschwommen dahergekommen war.
»Tja, der Junge ist wohl mehr als ein Pressesprecher«,
grinste Gerhard. »Druck das mal aus.«
Melanie war hinausgegangen und kam wenig später mit
der Info wieder, dass Martin Neuner nun da sei.
Martin Neuner war stämmig, wahrscheinlich keine
dreißig, doch er wirkte älter.
»Was soll der Scheiß do? I muss in d Stall!« Er
starrte Gerhard böse an.
»Scheiß, Neuner? Scheiß, sagen Sie?« Gerhard hieb mit
der Faust auf den Tisch, dass der Mann erschocken zusammenzuckte. »Sie werden
bald in gar keinen Stall mehr gehen, Sie werden vielleicht auf Tütenkleben
umschulen müssen!« Gerhard packte Neuner an der Schulter, riss ihn herum,
zeigte auf ein Flipchart: »Das ist der Scheiß, den Sie angerichtet haben.«
Neuner starrte regungslos auf die Bilder des Unfalls in Peißenberg. »Und der
Typ, den Sie oben rechts sehen, das ist der, der Ihnen Geld übergeben hat,
damit Sie den Wagen vom Weinling manipulieren.«
»Schmarrn, i war selber aufm Waga.«
»Ja, und Sie sind rechtzeitig abgesprungen«, brüllte
Gerhard.
»So a Krampf!«
»Neuner, ich habe eine Zeugin, die Sie gesehen hat bei
der Geldübergabe. Es gibt dieses Foto von Ihnen beiden nun mal. Dem Herrn sei
Dank für das Fotohandy. Neuner, machen Sie das Maul auf!«
»I kenn den ned.«
»Aha, haben Sie schon mal über einen Besuch beim
Optiker nachgedacht? Sind Sie blind oder was? Sie wurden fotografiert. Ist das
jetzt in Ihrem Hasenhirnchen angekommen?« Gerhard hatte sich über den Tisch
gebeugt und kam Neuner ganz nahe.
»Wer, wer hot mi gseng?« Neuner fuchtelte in der Luft
umher.
»Ach, das tut eigentlich nichts zur Sache, aber ich
zeig Ihnen gerne noch mal das Bild.« Gerhard riss es vom Flipchart und warf es
vor Neuner auf den Tisch. »Noch Fragen? Mehrere Verletzte, ein totes Pferd, der
Sachschaden – Neuner, Sie werden Ihres Lebens sowieso nicht mehr froh, aber
wollen Sie auch noch den Kopf für einen anderen hinhalten? Das war doch nicht
Ihre Idee, oder?«
»Na.«
»Na? Und weiter!«, schrie Gerhard.
Nun, weiter war die Geschichte, wie sie zu erwarten
gewesen war. Am Samstag hatte ein Unbekannter bei Neuner angerufen und ihm
satte fünfhundert Euro angeboten, wenn er Manfred Weinling einen kleinen
Streich spielen würde. Neuner hatte erst gezögert, der andere hatte noch mal
hundert draufgelegt. Das war leicht verdientes Geld, und hinzu kam, dass Neuner
den Weinling auf den Tod nicht ausstehen konnte. Der Grund lag in einer »alten
Gschicht« verborgen, wo es mal wieder um Rösser und Pachtböden ging. Neuner
hatte also zugesagt, sich mit dem Unbekannten in Uffing auf dem Parkplatz des
Alpenblicks zu treffen. Der hatte ihm das Geld übergeben und nur gesagt, dass
der Weinling ein Arschloch sei, der einem Freund von ihm auf die Füße getreten
sei. Bei »Arschloch« konnte Neuner nur zustimmen. Nun hätte Neuner ja das Geld
einfach nehmen können und den Wagen Wagen sein lassen, aber der andere hatte
ihm gedroht. Damit, dass sonst Neuner der Nächste auf der Liste des Todes wäre.
Neuner, Schönberger Musikant und Landmaschinenmechaniker, hatte ein bisschen an
den Bremsen rumgefummelt und an den Rädern. Es sollte ja nur ein kleiner
Denkzettel werden. Da er selbst auf dem Wagen gesessen hatte und eine Reihe von
Spezln und Mädchen, denen er nichts Böses wollte, hatte er den Wagen so
präpariert, dass die Bremse nicht funktionieren sollte und die Räder ein wenig
unrund liefen. Leider war der ganze Wagen ziemlich marode, und er hatte nicht
einkalkuliert, dass alle Aufhängungen brechen und die Räder sich einfach
verabschieden würden. Er identifizierte den Herrn Pressesprecher namens Thomas
Gretschmann sofort. Auf die Frage, wie die denn auf ihn gekommen waren, darauf
hatte er keine Antwort – auf Gerhards flammende Abschiedsrede
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