Nachtprogramm
Beziehung ihre besonderen Momente, doch inzwischen läuft der wenig überraschende Teil II, für den kein vernünftiger Mensch Geld ausgeben würde. (»Wow, sie machen ihre Stromrechnung auf!«) Hugh und ich sind jetzt so lange zusammen, dass wir handgreiflich werden müssen, um außerordentliche Leidenschaft zu erleben. Einmal schlug er mir mit einem zerbrochenen Weinglas auf den Hinterkopf, und ich sank zu Boden und tat so, als sei ich bewusstlos. Das war romantisch oder wäre romantisch gewesen, wenn er sich neben mich gekniet und mir geholfen hätte, anstatt über mich hinweg zusteigen und das Kehrblech zu holen.
Man mag mich f ür einfallslos halten, aber ich kann mir bis heute keinen anderen Menschen vorstellen, mit dem ich lieber zusammen wäre. An unseren schlimmsten Tagen sage ich mir, dass sich alles schon wieder einrenken wird. Ansonsten denke ich nicht viel über unsere Probleme nach. Keiner von uns würde seine Zuneigung je öffentlich zeigen – es ist einfach nicht unsere Art. Wir können unserer Liebe allenfalls durch Handpuppen Ausdruck verleihen, und wir setzen uns auch nie hin und diskutieren unsere Beziehung. Ich bin darüber sehr froh. Hugh war es auch, bis er diesen verdammten Film sah und daran erinnert wurde, dass ihm noch andere Möglichkeiten offen stehen.
Der Film war um zehn zu Ende, und anschlie ßend gingen wir in ein klei nes Café gegenüber vom Luxembourg. Ich wollte den Film so schnell wie möglich vergessen, aber Hugh stand noch ganz unter seinem Eindruck. Er machte ein Gesicht, als sei sein Leben nicht nur an ihm vorübergegangen, sondern habe vorher noch angehalten und ihm ins Gesicht gespuckt. Als der Kaffee kam, schniefte er in eine Serviette, und ich ermunterte ihn, die Dinge von der leichten Seite zu nehmen: »Hör zu«, sagte ich, »wir leben vielleicht nicht in London zu Kriegszeiten, aber was gelegentliche Bombendrohungen angeht, kommt Paris gleich an zweiter Stelle. Wir mögen beide gebratenen Speck und Countrymusic, was willst du mehr?«
Was er mehr wollte? Es war eine unglaublich dumme Frage, und als er keine Antwort gab, ging mir auf, wie groß mein Glück tatsächlich ist. Auf der Leinwand verfolgen sich die Liebenden durch dichten Nebel oder müssen aus brennenden Gebäuden fliehen, aber das ist etwas für Anfänger. Echte Liebe besteht darin, die Wahrheit für sich zu behalten, selbst dann,
wenn man praktisch dazu aufgefordert wird, die Gefühle des anderen zu verletzen. Ich wollte etwas in dieser Richtung sagen, aber meine Handpuppen lagen zu Hause in der Schublade. Stattdessen rückte ich mit meinem Stuhl etwas näher, und wir saßen schweigend an unserem kleinen Tisch mitten auf dem Platz, für alle Welt das Bild eines sich liebenden Paares.
Sprich mir nach
Obwohl wir über meinen Besuch in Winston-Salem gesprochen hatten, hatten meine Schwester und ich noch keine genaue Verabredung getroffen, bis ich sie am Vorabend meiner Ankunft von einem Hotel in Salt Lake City aus anrief.
»Ich arbeite noch, wenn du ankommst«, sagte sie. »Der Schlüssel liegt unterm Umenopf interm aus.«
»Wo?«
»Unterm Umenopf.«
Ich dachte, sie hätte was im Mund, bis mir klar wurde, dass sie irgendeinen Code benutzte.
»Von wo rufst du an? Von der Freisprechanlage in einer Methadonklinik? Warum kannst du mir nicht einfach sagen, wo du den verdammten Schlüssel deponiert hast?«
Sie dämpfte ihre Stimme zu einem leisen Flüstern. »Ich weiß nicht, ob ich diesen Dingern trauen kann.«
»Sprichst du über ein Mobiltelefon?«
»Natürlich nicht«, sagte sie. »Es ist ein ganz normales schnurloses Telefon, aber man kann nie vorsichtig genug sein.«
Nachdem ich ihr versichert hatte, sie müsse nicht vorsichtig sein, kehrte Lisa zu ihrer normalen Tonlage zurück und sagte: »Tatsächlich? Aber ich habe gehört...«
Meine Schwester gehört zu den Menschen, die andächtig die auf Angst getrimmten Augenzeugenberichte im Lokalfernsehen verfolgen und nichts außer der Schlagzeile behalten. Sie erinnert sich, das Apfelmus tödlich sein kann, vergisst aber, dass es dazu direkt in die Vene injiziert werden muss. Meldungen, dass Gespräche übers Mobiltelefon von Fremden mitgehört werden können, vermischen sich mit Nachrichten über die steigende Zahl von Einbrüchen und Hirntumoren, was für sie letztlich heißt, dass alle Telekommunikation potenziell lebensbedrohlich ist. Wenn es nicht im Fernsehen gesendet wurde, hat sie es im Verbrauchermagazin gelesen oder es aus dritter Hand
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