Nachtruf (German Edition)
Winkel der Tür auf. Offenbar war sie zuvor verschlossen gewesen, bis man sie mit Gewalt geöffnet hatte. Die Tür hing jetzt nur noch lose am oberen Scharnier. Trevor und Reyes traten ein. In dem Raum befandensich lediglich ein Schreibtisch, ein Stuhl und ein großer Metallschrank, dessen Türen mit einem Vorhängeschloss gesichert waren. Eine nackte Glühbirne hing an einem Kabel in der Mitte des Raumes. Kaum zu glauben, dass dies Baptistes persönliches Büro sein sollte, denn es war weit entfernt von der Eleganz seines Arbeitsplatzes im Antiquitätengeschäft.
Ein weiterer Agent von der Drogenbehörde stand mit einem Bolzenschneider in der Hand neben ihnen.
„Dann geben Sie sich mal die Ehre“, sagte Reyes zu ihm.
In Sekundenschnelle war das Schrankschloss geöffnet. Der Mann machte die Türen auf.
„Bingo“, murmelte Reyes leise. Auf den Regalbrettern im Schrank lagen ein halbes Dutzend Pakete in braunem Packpapier. Eines war stellenweise aufgerissen und Pillen kullerten aus dem Inneren wie Süßigkeiten aus einer mexikanischen Piñata.
„Ist das hier ein Nachtclub oder eine Apotheke?“, fragte der Agent mit dem Bolzenschneider und grinste.
Doch Trevor schenkte den Drogen keine Beachtung. Ein schmaler rechteckiger Behälter auf dem untersten Bord hatte seine Aufmerksamkeit geweckt.
„Wollen Sie die Schachtel mal herausnehmen?“, fragte er Reyes.
Reyes zog sich Handschuhe über und stellte den Kasten auf den Schreibtisch. Dann öffnete er den Deckel.
Als Trevor den Inhalt erblickte, ging ein Ruck durch ihn. „Können wir einen Fotografen haben?“
„Darauf können Sie wetten“, entgegnete Reyes und rief nach einem Fotografen.
Schwarze Kristallperlen mit Perlmutt und ein keltisches Kreuz aus Silber.
Trevors Mund war mit einem Mal trocken. Er starrte die zwei identischen Rosenkränze in dem mit Samt ausgeschlagenen Kasten an. Ihre schimmernden Ketten waren ineinander verschlungen wie die Arme von Liebenden.
29. KAPITEL
Rain hatte sich ins Arbeitszimmer im ersten Stock zurückgezogen. Sie saß auf der Couch und hielt eine Tasse Kräutertee in den Händen, während sie versuchte, sich mit einer Late-Night-Talkshow im Fernsehen abzulenken. Aber der Begrüßungsmonolog des Moderators machte keinen sonderlichen Eindruck auf sie. Zwei Minuten nachdem er das Gespräch mit seinem ersten Gast begonnen hatte, einer hirnlosen Blondine mit aufgespritzten Lippen, schaltete sie den Fernseher wieder ab.
Seit dem vergangenen Abend, als sie zusammen zu Abend gegessen hatten, hatte sie nichts mehr von Trevor gehört. Nach Dantes Anruf hatte er stumm und angespannt gewartet, bis ein Officer als Ablösung gekommen war. Dann war er in sein Auto gesprungen und hatte sich auf den Weg zum Coliseum Square gemacht. Rain hatte beobachtet, wie seine Rücklichter in die Dunkelheit verschwunden waren. Im selben Augenblick waren Polizeisirenen laut geworden. Ihr Geheul hatte die Stille der Nacht zerrissen. Einige Stunden später hatten die Lokalnachrichten Dantes grausame Behauptung bestätigt.
Noch ein totes Mädchen. Rain fragte sich, ob das alles ihretwegen geschah.
Sie zupfte an den Fransen der bestickten Couchkissen und hoffte inständig, dass Trevor sie endlich anrief und ihr sagte, was los war. Der Cop unten in der Küche schien über seinen Einsatz als Wachposten hinaus wenig Ahnung zu haben. Oder er schwieg absichtlich. Trotz des Ärgers mit Oliver wäre Rain der junge, gesprächige Officer Arseneau jetzt lieber gewesen als der silberhaarige Cop mit den nichtssagenden Augen, der die Abendschichten übernahm.
Sie stellte die Tasse ab und ging zu den Einbauregalen, die die hintere Wand des Raumes säumten. Unruhig fuhr sie mit dem Finger über die gebundenen Bücher. Wissenschaftliche Bände über Psychologie standen neben viktorianischen Romanen und Büchern über das Gärtnern, die Celeste gehört hatten. Sie zog Jane Eyre hervor, eines der Lieblingsbücher ihrer Tante. Plötzlich stutzte sie. Hinter die anderen Bände war ein schmales Taschenbuch gestopft worden. Rain stellte sich auf die Zehenspitzen, um den zerschlissenen Buchrücken zu erwischen. Die reißerische Illustration auf dem Deckel ließ sie stutzen. Sie nahm das Buch mit zur Couch, schlug es an irgendeiner Stelle auf und begann zu lesen.
Der Inhalt war ganz klar sadomasochistisch, die Geschichte erzählte von einer Frau, die sich devot an Rollenspielen mit einem gefährlich attraktiven Mann beteiligte.
Wird er mir dieses Mal nur drohen und
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