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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Tentler
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Scheibe hindurch an. „Nein.“
    Ein Werbeplakat der Gothic-Band Raven war an die Wand der Sendekabine gepinnt. Rain starrte auf das Bild, das eine Steintreppe und eine geflügelte Frau zeigte, die die schattigen Stufenhinabstieg. Stellte diese ätherische Gestalt einen Vampir oder einen Engel dar? Sie hatte das Poster bislang nie weiter beachtet, doch heute Abend fand sie es fast genauso verstörend wie die Uhr auf ihrem Schreibtisch, die in fetten, grünen Leuchtziffern die Zeit anzeigte. Es war Viertel vor zehn – noch fünfzehn Minuten, bis Midnight Confessions auf Sendung ging.
    Rain lief in der Kabine auf und ab. Der Raum fühlte sich auf einmal bedrückend klein an, wie ein Käfig. Eilig verließ sie das Studio und hastete den Flur entlang zur Damentoilette. Ohne einen Blick in den Spiegel zu werfen, ließ sie etwas Wasser ins Waschbecken laufen. Plötzlich wünschte sie sich, sie könnte dem Wasser einfach folgen, den Abfluss hinunter. Der Geruch des Pinienduftreinigers brachte ihren Magen ins Schlingern. Konnte sie das durchziehen? Was passierte, wenn sie irgendetwas sagte, das den Anrufer vor der Zurückverfolgung seines Gesprächs warnte?
    Sie war nicht sicher, wie lange sie vor dem Waschbecken stand und sich zu sammeln versuchte, aber auf einmal klopfte jemand an die Tür. Trevors Stimme klang unsicher.
    „Rain? Ist alles in Ordnung?“
    Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit.
    „Es gibt etwas, das Sie über mich wissen sollten“, sagte Rain leise. Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor sie ihr Geständnis machte, doch es musste jetzt erzählt werden. Sie seufzte und schämte sich seltsamerweise. „Ich kann nicht Auto fahren.“
    Er runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht …“
    „Es ist eine Phobie. Ich bin eine Therapeutin mit einer total lächerlichen, unbehandelbaren Angst. Haben Sie jetzt noch Vertrauen in mich?“
    „Was hat das damit zu tun, dass …“
    Rain schüttelte den Kopf und war enttäuscht, dass er nicht in der Lage war, ihrer Logik zu folgen. „Wenn ich etwas so Grundlegendes wie Autofahren nicht beherrsche, wie soll ich einen möglichen Serienkiller in der Leitung halten können? Und das auch noch lange genug, um seinen Standort ausfindig zu machen?“
    „Sie haben doch gestern Abend mit ihm gesprochen, Rain. Es hat sich nichts verändert.“
    „Ich habe ihn aus der Leitung geschmissen“, erinnerte sie ihn. „Und das war, bevor ich wusste, wer das sein könnte.“
    Trevor musterte ihr Gesicht. „Kommen Sie jetzt da raus, oder muss ich reinkommen?“
    Sie zögerte, dann machte sie einen Schritt zurück und ließ ihn rein. Nachdem sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte sie sich an die kühlen Kacheln an der Wand.
    „Ich habe noch nicht mal einen Führerschein“, gestand sie. „Gesprächstherapie, Hypnotherapie, nichts hat geholfen. Zum Glück gibt es Straßenbahnen. Die St. Charles Streetcar hält vor meiner Haustür, sonst müsste ich mein ganzes Geld für Taxis ausgeben.“
    „Rain …“
    „Ich glaube kaum, dass meine Patienten mich respektieren, und warum sollten sie auch?“ Stirnrunzelnd blickte sie auf die Metalltür der Toilette. „Heute Morgen ist ein junger Patient in mein Haus eingebrochen. Ich glaube, er hat meine Unterwäsche gestohlen. Er hat das natürlich bestritten, aber es fehlt ein blaues Seidenhöschen aus meiner Wäscheschublade. Ich möchte nicht wissen, was er damit anstellt …“ Als Rain merkte, dass sie redete und redete, wurde sie rot. Sie schloss die Augen. „Oh Gott. Das waren ein paar Informationen zu viel, oder?“
    „Schon okay.“
    „Ich dachte nur, Sie sollten wissen, dass ich eventuell Ihre Ermittlungen vermassele.“
    „Das werden Sie nicht.“ Trevor erwiderte ihren Blick. „Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, dass er Ihnen über den Äther nicht zu nahekommen kann. Es ist bloß eine Stimme.“
    „Aber das ist nicht wirklich wahr. Dass es nur eine Stimme ist?“
    Er beugte seinen Kopf näher zu ihr. Eine Hand auf ihren Arm gelegt, sagte er leise: „Ich habe Sie im Radio gehört, Rain. Behandeln Sie ihn wie einen normalen Anrufer. Sie können das.“Er wollte noch etwas hinzufügen, doch das Klicken der Tür zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. David starrte sie mit offenem Mund an, als er die beiden in dieser vertrauten Situation entdeckte. „Was ist hier los? Warum bist du nicht in der Sendekabine?“
    „Ich brauchte einen Augenblick, um mich zu sammeln.“ Rain schob eine Haarsträhne hinter das

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