Nachtruf (German Edition)
ins Sonnenlicht, das vom Pool im Hof reflektiert wurde. Mühsam versuchte er, sein inneres Gleichgewicht wiederzufinden.
„Was hast du da draußen vor meiner Bar gesucht?“ James hatte sich an die Wand des Laubengangs gelehnt. Jetzt richtete er sich auf und kam näher. Er zog an seiner Zigarette, während er auf eine Antwort wartete.
„Ich war bloß unterwegs. Joggen.“
„Musst in Form bleiben fürs FBI.“ James’ Ton war spöttisch. Er ließ seinen Blick über seinen Sohn gleiten.
Trevor bemerkte, dass die Augen seines Vaters blutunterlaufen waren. Seine Nase war mit kleinen geplatzten Äderchen gesprenkelt – eine Folge des jahrelangen Alkoholmissbrauchs.
„Schätze, du hast unsere Annabelle schon getroffen“, sagte James.
Trevor presste die Zähne aufeinander. „Du hast nicht das Recht, ihren Namen auszusprechen.“
James lächelte bloß über die erbitterte Äußerung. Eine Reihe kräftiger Zähne blitzte auf, die kaum vergilbt waren, obwohl er viel rauchte.
„Du kannst es nicht lassen, den Beschützer zu spielen, oder, Trev? Und natürlich bist du viel zu gut, um nur ein einfacher Cop wie dein alter Herr zu sein.“ Er sah einer jungen Frau im Badeanzug hinterher, die auf die Liegen am Pool zusteuerte. „Du klingst noch nicht mal mehr wie ein Südstaatler. Schätze, ich kann mich bei deiner Tante Susan dafür bedanken, dieser hochnäsigen Ziege.“
Unwillkürlich wurde Trevors Griff um den Pappbecher fester, und der Plastikdeckel verbog sich. Er nahm kaum wahr, dass die heiße Flüssigkeit auf seine Haut tropfte.
„Also“, sagte James. „Bist du beruflich hier oder zum Vergnügen?“ Als Trevor nicht antwortete, lachte sein Vater leise. „Ich versuche bloß, Small Talk zu machen. Ich weiß, warum du hier bist. Ich habe noch immer ein paar Freunde beim NOPD.“
„Das bezweifle ich.“
James bewegte sich auf ihn zu, und Trevor roch den Whiskey in seinem Atem. „Immer noch vorlaut. Das hat dir früher schon immer Ärger eingebracht …“
„Wir sind heute eher auf Augenhöhe, Dad .“
„Du denkst, du bist jetzt wer, nicht wahr? Mit deinem spitzenmäßigen Juraabschluss und deiner Marke vom Justizministerium, die du den Leuten unter die Nase halten kannst …“
„Ich bin besser als du. So viel weiß ich.“
„Du weißt einen verdammten Dreck.“ James schnippte die Zigarette vor Trevors Füße. Er wandte sich zum Gehen – jedoch nicht, ohne vorher noch eine letzte Bemerkung zu machen. „Sag Annabelle, sie soll dir ein paar von ihren Keksen backen, solange du in der Stadt bist. Das Mädel ist eine bessere Köchin, als deine Momma es je war.“
Trevor blieb wie angewurzelt stehen, bis James hinter der Ecke verschwunden war. Dann ging er die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Er hasste es, dass seine Hände zitterten, als er die Sicherheitskarte durchzog. Die Tür öffnete sich. Er ließ den Kaffee und die Zeitung auf dem Tisch neben dem Laptop zurück, schnappte sich seine Waffe und verschwand aus dem Hotel.
Es war noch immer recht früh am Morgen, doch die Temperatur stieg bereits kräftig an. Über dem Asphalt flirrte die Luft. Er hatte beobachtet, wie sie an diesem Morgen ihr Haus verlassen hatte. Sie ging zu Fuß und nahm dann das St. Charles Streetcar zum French Market in der Decatur Street.
Er kannte ihr Fahrtziel. Sie fuhr regelmäßig dorthin. Außerdem hatte sie ihren Weidenkorb bei sich. Er fand sie schnell wieder, als sie erst einmal die Straßenbahn verlassen hatte. Sie schlenderte zwischen den Marktständen umher und suchte sich aus, was sie brauchte. Ihre Auswahl bestand aus Früchten, mit Zimt bestäubten Pekannüssen, Käse und großen Oliven – die guten italienischen, die mit Kräutern mariniert waren. Dann nahm sie einen Laib Krustenbrot in die Hand und sog den Duft nach frisch Gebackenem ein. Schließlich legte sie den Laib zu den anderen Sachen in ihren Korb.
An diesem Tag trug sie Jeansshorts und ein grünes Top mit dünnen Spaghettiträgern. Da sie keinen BH anhatte, zeichneten sich ihre Brustwarzen unter dem Stoff leicht ab. Er sah sie selten in einem Aufzug wie diesem, und die ungewollt provokative Kleidung hob ihre schlichte Schönheit so deutlich hervor, dass er wie geblendet stehen blieb. Sie trug kein Make-up, und ihre rotgoldenen Haare waren nur locker hochgesteckt. Ein paar Strähnen waren herausgerutscht und umrahmten ihr Gesicht.
Sie ähnelte Desiree so sehr. Er spürte, wie sich etwas Dunkles, Heißes in seinen Adern bemerkbar
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