Nachts im Zoo (Junge Liebe ) (German Edition)
Einladung erhält man ja nicht jeden Tag", entgegnete Josh. Intuitiv, denn er hatte ja Übung darin, fasste er an die Griffe des Rollstuhls und schob sein „Date" damit zum Ausgang.
„Ich heiße übrigens Joshua, kannst mich aber Josh nennen."
Der Rollstuhlfahrer drehte seinen Kopf.
„Ich bin Lukas."
Zusammen verließen sie den Zoo und kehrten in den naheliegenden Coffeeshop ein.
„Donut?", fragte Josh.
„Einen Chocolate Coconut, bitte, und einen Latte Macchiato dazu", entgegnete Lukas
„Gute Wahl!"
Josh zwinkerte ihm zu. Und schon bald saßen sie beisammen an einem Tisch und kamen weiter ins Gespräch.
„Ich habe deinen Bruder vorhin gesehen. Habe mich echt erschrocken. Ihr seht euch verdammt ähnlich. Seid ihr Zwillinge?"
Josh nickte.
„Eigentlich Drillinge. Vorhin, das war Kevin. Clemens, unser anderer Bruder, der wohnt nicht hier."
„Ach so." Lukas' Stirn legte sich in Falten. „Kevin war ziemlich angespannt, als du im Haibecken warst. Der hat mich richtig angegiftet, nur weil ich euch verwechselt habe."
Josh schmunzelte, auch wenn es nicht zufrieden aussah. Das Verhalten seines Bruders war für Außenstehende sicher nicht immer leicht zu verstehen.
„Ja, Kevin ist nicht immer einfach."
„Darf ich fragen, wieso er im Rollstuhl sitzt?", fragte Lukas munter weiter, dabei sah er Josh neugierig an und vergaß sogar seinen Donut.
„Klar!" Josh nickte. Er war froh, dass Lukas fragte, und er die merkwürdigen Verhältnisse zwischen ihm und seinem Bruder erklären konnte.
„Es passierte vor ein paar Jahren, bei einer Elefantengeburt im Zoo", fing er an zu berichten. „Es war nachts, alle Pfleger nervös. Es dauerte Stunden, bis das Elefantenbaby zur Welt kam, und dann fing es auch nicht sofort an zu atmen." Er holte tief Luft, als er daran zurückdachte. Er war ebenfalls dabei gewesen, hatte alles verfolgt und sogar gefilmt. Er würde Kevins Schrei wohl nie vergessen.
„Die Elefantenkuh war ebenso gestresst. Und als dann alle um das Kleine herumwuselten, wurde sie ganz schön wütend."
Er hob seinen Kopf, sah Lukas direkt in die Augen.
„Sie hat Kevin an die Wand gedrückt, und dabei ist sein Rückenmark gequetscht worden."
Er sah wieder nach unten und nahm einen Schluck Kaffee. Dass das Erlebnis, selbst jetzt, nach mehreren Jahren, noch immer gespenstisch stark in ihm arbeitete, war unschwer zu erkennen.
„Und er spürt gar nichts mehr?", hakte Lukas nach. Allerdings war seine Stimme leise und zögernder geworden.
„Na ja, die Quetschung war nicht schwerwiegend, trotzdem ist die Motorik in den Beinen völlig weg", erklärte Josh. „Nur ab und zu bewegen sich seine Muskeln, aber absolut unwillkürlich. Die Sensibilität ist noch da. Er spürt Kaltes und Heißes und zum Glück auch, wenn er auf Toilette muss. Aber laufen, das geht absolut nicht."
Eine kurze Stille stellte sich ein. Lukas' Mund war ganz trocken geworden. Die Geschichte schlug ihm auf den Magen, trotzdem biss er ein Stück von seinem Donut ab. Josh war bereit, darüber zu reden, das merkte er deutlich. Und so fragte Lukas mutig weiter:
„Wie kriegt er sein Leben geregelt? Wohnt er alleine? Arbeitet er?"
Da schüttelte Josh sofort den Kopf.
„Es sieht zwar so aus, als hätte er alles im Griff, doch geregelt bekommt er so gut wie nichts. - Ich pflege ihn, Tag und Nacht. Rundumversorgung sozusagen."
Wieder huschte dieses Lächeln über Joshs' Gesicht, welches auch wiederum ziemlich kläglich aussah.
Er liebte seinen Bruder, er pflegte ihn gerne, das war unverkennbar. Und dennoch blieb stets ein komischer Beigeschmack. Er wusste manchmal nicht, ob es richtig war, was er tat und wo es enden würde. Würde es sein Leben lang so weitergehen?
„Wir wohnen beide bei meinem Onkel. Der ist Direktor des Zoos. Ab und zu darf Kevin im Büro helfen. Das gibt ihm den Glauben, nicht ganz überflüssig zu sein."
„Puh!" Lukas lehnte sich zurück. „Das ist heavy. Da kann einem dein Bruder ja richtig leid tun."
Josh deutete ein Nicken an. „Ja, ab und zu schon." Er trank von seinem Kaffee und schon erhellte sich sein Gesicht.
„Wir sollten aber nicht nur von meinem Bruder reden." Er sah Lukas gründlich an. „Du kommst jetzt also jeden Tag in den Zoo?"
Lukas zuckte mit den Schultern.
„Bis jetzt habe ich noch keine andere Beschäftigung gefunden. Und es bringt mir Spaß, die Tiere zu beobachten - und die Pfleger." Er zwinkerte Josh zu.
„Und was machst du sonst so, wenn du nicht gerade Tierpflegern bei der
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