Nachts kommt die Angst: Psychothriller (German Edition)
Letzteres sein, wie soll sie sonst auf eine Perücke kommen?«
»Weil ich ihr davon erzählt habe.« So, nun war es raus.
Schneider reagierte überraschend ruhig. »Was noch?«
»Einiges.«
»Okay, dann zeige ich Ihnen mal was!«
Schneider zog eine Schreibtischschublade auf und holte einen Stapel Zeitungen heraus.
»Sind Sie sicher, dass Alexandra Fischer keine Journalistin ist?«
Harris nickte.
»Und wie erklären Sie sich dann das hier?« Schneider schob die oberste Zeitung zu Harris hinüber. Er musste sie nicht zur Hand nehmen, so fett war die Schlagzeile: »Polizei tappt im Dunkeln! Lockvogelaktion bleibt ohne Ergebnis! Irrer Serienmörder mit schwarzer Perücke metzelt weiter!«
»Ihnen ist klar, was das bedeutet?«
Harris hob die Schultern. Schneider ließ ihn zappeln. Seelenruhig nahm er seinen Kaffee vom Tisch und legte sich wieder auf die Klappliege. »Man hat mich suspendiert, und Sie holt man in zehn Minuten. Ab heute helfen Sie bei der Deichbewachung. Schade, Zimmering, gerade fingen Sie an, mir sympathisch zu werden, und nun bauen Sie diese Scheiße!«
Es war das erste Mal, dass sich Harris wirklich dämlich vorkam und seinem Chef recht gab. Sollte er sich in Alexandra so getäuscht haben? Natürlich hatte er sich oft gefragt, warum ihr Interesse an dem Fall so groß war, dass sie kaum eine Gelegenheit ausließ, ihn danach zu fragen. Bis dato dachte er, sie damit beruhigen zu können. Wissen war immer besser als Unwissenheit. Außerdem kam er nicht umhin, zuzugeben, dass er mit den kriminalistischen Fachsimpeleien hin und wieder auch geprahlt hatte. Harris fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen. Kein Zweifel, er war ihr auf den Leim gegangen.
»Wahrscheinlich hatten Sie recht«, sagte er kleinmütig.
»Womit?«
»Als Sie sagten, dass man einen Dorfdeppen wie mich nicht in so einem Fall rumpfuschen lassen darf.«
Wider Erwarten legte Schneider nicht noch eins obendrauf. »Spielt nun auch keine Rolle mehr«, sagte er ruhig und nippte dann weiter an seinem Kaffee.
»Was machen Sie jetzt?«, fragte Harris nach einer langen Pause.
Schneider sah sich im Raum um, als würde er dort eine Antwort finden. Dann zog er gleichzeitig Brauen und Schultern nach oben und schnaufte laut.
»Vielleicht sollten Sie Urlaub machen!«, schlug Harris vor.
»Ich weiß nicht, ob Urlaub bei der Art meiner Probleme wirklich hilfreich ist.«
»Sie meinen Ihre Frau und Sünkeberg.«
Schneider nickte. »Sagen Sie mir, wie ich damit umgehen soll.«
»Machen Sie ihr keine Vorwürfe!«
»Sie meinen, ich soll es auch noch gutheißen, dass sie sich von meinem Kollegen vögeln lässt?« Schneider stutzte, als würde ihm erst jetzt bewusst, was Harris gesagt hatte, und schüttelte dann fassungslos den Kopf.
»Wie lange sind Sie verheiratet?«, fragte Harris.
»Achtzehn Jahre.«
»Vielleicht hat sie ihre Gründe!«, murmelte Harris.
»Seien Sie vorsichtig, Zimmering!«
»Vielleicht fehlt ihr was. Ihre Gesellschaft, Ihre Aufmerksamkeit, Anerkennung, vielleicht auch nur der Sex. Was war zuerst da? Huhn oder Ei? Schlafen Sie in meinem Büro, weil Ihre Frau Sie betrügt, oder betrügt Ihre Frau Sie, weil Sie seit Wochen in meinem Büro schlafen? Ich schätze Ihre Frau nicht so ein, dass sie ausgerechnet mit einem Ihrer Kollegen das schnelle Abenteuer sucht. Ich meine, ich kenne sie nicht, aber ich kann’s mir einfach nicht vorstellen. Wissen Sie, mein Vater war der Ernährer unserer Familie. Er sagte einmal zu mir, er wäre nur das. Ich hab’s damals nicht verstanden, aber inzwischen … Egal. Wenn ich Ihnen einen Tippgeben darf, hören Sie ihr zu, und lassen Sie sie vor allem ausreden!«
Harris befürchtete, dass Schneider eingeschlafen sein könnte, denn er hielt seine Augen geschlossen und bewegte sich nicht. Vielleicht sammelte er sich auch nur, um urplötzlich aufzuspringen und ihm an die Gurgel zu gehen. Aber nichts von dem geschah. Schneider öffnete die Augen, stand langsam auf und ging nah an Harris heran.
»Sie sind vielleicht gar nicht so ein Depp, wie ich dachte«, sagte er ruhig.
»Gleichfalls. Sie sind auch nicht das Arschloch, das Sie spielen!«
Schneider zuckte kurz zusammen, grinste und boxte Harris mit der geballten Faust freundschaftlich gegen die Brust. Dann wurde er ernst. »Ich möchte Sie um etwas bitten, Zimmering. Als Freund von Robert und Dirk Schumann wird man Sie in der Sache vernehmen. Sagen Sie für die beiden aus … nicht gegen sie.« Er griff hinter den Schreibtisch und
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