Nachts unter der steinernen Bruecke
hatte ihn in literarischen Kreisen Deutschlands und Österreichs bekannt gemacht, der zweite, Zwischen neun und neun (1918), wurde, wie Egon Erwin Kisch schrieb, zum »größten Erfolg des deutschen Buchmarkts« der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die historischen Romane Der Marques de Bolibar (1920), Turlupin (1924) und der fälschlich als »Kriminalroman« aufgenommene Meister des jüngsten Tages machten Perutz in Deutschland und Österreich zu einem erfolgreichen und geschätzten Autor. Mit »Meisls Gut« hatte Perutz 1924 kaum begonnen, als er sich dem Romanstoff zuwandte, der ihm wegen des Vorabdrucks in der »Berliner Illustrirten Zeitung« 1928 die größte Popularität eintrug: Wohin rollst du, Apfelchen.. . »Meisls Gut«, das Projekt, von dem nur ein Kapitel geschrieben, das jedoch von vornherein als Roman konzipiert war, blieb für lange Zeit liegen. Unmittelbar vor der Machtübernahme Hitlers, die Perutz' Büchern den deutschen Markt versperrte, erschien der Roman St. Petri Schnee ; der große historische Roman Der schwedische Reiter konnte 1936 nur noch in Österreich, Ungarn und der CS R erscheinen.
Nach dem Einmarsch der Nazitruppen ging Perutz ins Exil nach Palästina. Mit Wien verlor er nicht nur seine Heimat, sondern die geistige Welt, die kulturelle Umgebung und Atmosphäre, die den Schaffenshintergrund seiner Werke gebildet hatten. In Palästina lebte er unter schwierigen materiellen Bedingungen, am literarischen Leben nahm er schon wegen des Sprachproblems — Perutz sprach wenig und schrieb kein Iwrit — kaum teil. Um zu erklären, weshalb er in den zurückliegenden Jahren so wenig geschrieben hatte, teilte er Wiener Freunden, die nach Argentinien emigriert waren, im Jahre 1945 mit:
Ich habe hier weder Anregungen, noch Quellenmaterial, nichts, nicht einmal einen Menschen, dem ich meine Geschichten oder Einfälle erzählen könnte, und Sie wissen, wie notwendig ich dieses unaufhörliche Erzählen zur Formung, Abrundung und Weiterentwicklung eines Stoffes brauche.
An Joseph Than, mit dem er in Wien Filmskripts und Drehbücher verfaßt hatte, schrieb Perutz 1942, wie sehr ihn der Krieg und düstere Vorahnungen für die Nachkriegszeit am Sinn seiner Arbeiten zweifeln ließen:
Ich arbeite, gewiß, aber für wen und für wann? Ganz andre Dinge wird die Welt nach dem Kriege hören und lesen als die, die ich mir hier hinter geistigem Stacheldraht abquäle und, ohne jedes Erlebnis und Ereignis, ausdenke und in schönem Deutsch niederschreibe. Mit keinem kann ich über Arbeitsprobleme und Ideen ein Wort sprechen.
Trotz dieser düsteren Zukunftserwartungen arbeitete Perutz. Im April 1943 nahm er das Romanprojekt »Meisls Gut« wieder auf, das er ironisch »mein posthumes Werk« nannte. Novelle um Novelle des Romans wurde fertiggestellt, während Perutz zeitweise gleichzeitig an seinem letzten, tatsächlich posthum erschienenen Werk Der Judas des Leonardo arbeitete. Bereits im April 1945 schrieb er an seine Freunde in Argentinien: »>Meisls Gut< ist fertig, aber — weh mir und meinem Schlamassel! Wer interessiert sich heute für Novellen aus dem alten Prag?« Zwölf Tage später fügte er hinzu: »Es fehlen nur noch zwei kleine Geschichten, mit denen ich mich noch herumschlage; sie sind notwendig, um den Zusammenhang des Ganzen herzustellen. D.h. um aus einem Dutzend Alt-Prag-Novellen den Roman von Mordechai Meisl und Rudolf II. zu machen.«
Es vergingen annähernd sechs Jahre, bevor Perutz die konzeptionellen Probleme dieser zwei Novellen, »Das verzehrte Lichtlein« und »Der Engel Asael«, gelöst hatte. Am 15. März 1951 berichtete er seinen Freunden, das ganze Buch sei
so geworden, wie ich es mir immer erhofft habe. Ich habe das Maschinenscript vor einer Woche an Zsolnay geschickt, und wenn der — zum Teil—jüdische Inhalt des Romans für einen Verleger von heute kein handicap darstellt, so werde ich Ihnen vielleicht schon Ende des Jahres wieder ein neues Buch zuschicken können.
Ich glaube, das Buch ist mir wirklich gelungen, schade nur, daß ich es nicht vor zwanzig Jahren geschrieben habe. Kisch und Werfel hätten es gewürdigt, aber wo sind die beiden!
Kisch und Werfel waren tot, und die literarische Epoche, in der sie ihre Erfolge hatten, war vorüber. Perutz' Ahnung, daß der jüdische Stoff ein Problem für die Publik ation des Romans darstellen könnte, erwies sich als nur allzu begründet. Am 5. Juli 1951 schrieb der Verleger Paul Zsolnay seinem Autor, »wie sehrich Ihr Werk liebe
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