Nachts
sagen, ein Schriftsteller braucht eine Art Abschußrampe, und abgesehen von der festen Überzeugung, daß eine Geschichte für sich allein in allen Ehren existieren kann, ist die Vorstellung von der Kleinstadt als sozialem und psychologischem Mikrokosmos meine eigene. Ich habe schon in Carrie angefangen, damit zu experimentieren, und mit Brennen muß Salem auf einer ambitionierteren Ebene damit weitergemacht. Aber erst mit DeadZone habe ich meinen Rhythmus gefunden.
Das war, glaube ich, die erste meiner Geschichten um Castle Rock (und Castle Rock ist in Wirklichkeit nur die Stadt Jerusalem’s Lot ohne Vampire). In den Jahren, seit ich sie geschrieben habe, ist Castle Rock in zunehmendem Maß zu >meiner Stadt< geworden, und zwar in dem Sinne, wie die mythische Stadt Isola Ed McBains Stadt und das Dorf Glory in West Virginia die Stadt von Davis Grubb war. Ich bin immer wieder dorthin gerufen worden, um das Leben seiner Bewohner und die Geographie, welche dieses Leben zu beherrschen scheint, zu untersuchen Castle Hill und Castle View, Castle Lake und die Town Roads, die wie ein Wirrwarr am westlichen Stadtrand verlaufen.
Im Lauf der Jahre zog mich das geheime Leben dieser Stadt immer mehr in seinen Bann verzauberte mich durch die verborgenen Beziehungen, die mir immer bewußter wurden. Ein Großteil dieser Geschichte ist entweder ungeschrieben oder unveröffentlicht: wie der verstorbene Sheriff George Bannerman seine Jungfräulichkeit auf dem Rücksitz des Autos seines toten Vaters verloren hat, wie der Ehemann von Ophelia Todd von einer wandelnden Windmühle getötet wurde, wie Hilfssheriff Andy Clutterbuck den Zeigefinger der linken Hand verloren hat (er wurde von einem Ventilator abgeschnitten, und der Hund der Familie hat ihn gefressen).
Nach Dead Zone, das teilweise die Geschichte des Psychopathen Frank Dodd ist, schrieb ich einen Kurzroman mit dem Titel >Die Leiche<, Cujo, den Roman, in dem der gute Sheriff Bannerman ins Gras beißen mußte, sowie eine Anzahl Kurzgeschichten und Erzählungen über diese Stadt (die besten, jedenfalls meiner Meinung nach, sind >Mrs. Todds Abkürzung< und >Onkel Ottos Lastwagen<).
Das ist alles schön und gut, aber für einen Schriftsteller ist es vielleicht nicht eben gut, wenn er von einem fiktiven Schauplatz zu besessen ist. Bei Faulkner und J. R. R. Tolkien war es zweifellos gut, aber das sind zwei Ausnahmen, die die Regel bestätigen, und dar
über hinaus spiele ich nicht in dieser Liga.
Daher entschied ich irgendwann einmal zuerst im Unterbewußtsein, glaube ich, wo die WIRKLICH ERNSTHAFTE ARBEIT
stattfindet , daß es an der Zeit wäre, das Buch über Castle Rock, Maine, wo so viele meiner Lieblingsfiguren gelebt haben und ge—
storben sind, endgültig zuzuschlagen. Genug ist genug. Es ist an der Zeit weiterzuziehen (vielleicht bis zum Nachbarort Harlow, haha). Aber ich wollte nicht einfach so davonlaufen; ich wollte die Sache beenden, und zwar mit einem Knall.
Nach und nach wurde mir klar, wie sich das bewerkstelligen ließ, und daher habe ich mich die letzten vier Jahre damit beschäftigt, eine Castle RockTrilogie zu schreiben die letzten Geschichten von Castle Rock. Sie wurden nicht in einer bestimmten Ordnung geschrieben (manchmal denke ich, Unordnung ist der Leitsatz meines Lebens), aber jetzt sind sie geschrieben, und sie sind durchaus ernsthaft. Doch ich hoffe, daß sie nicht allzu nüchtern oder langweilig sind.
Die erste Geschichte, Stark The Dark Half, wurde 1989 veröffentlicht. Es ist zwar in erster Linie die Geschichte von Thad Beaumont und spielt weitgehend in einer Stadt namens Ludlow (die Stadt, wo die Creeds in Friedhof der Kuscheltiere wohnten), doch die Stadt Castle Rock spielt auch eine Rolle in der Geschichte, und das Buch diente dazu, Sheriff Bannermans Nachfolger vorzustellen, einen Mann namens Alan Paneborn. Sheriff Paneborn steht im Mittelpunkt der letzten Geschichte dieser Reihe, einem umfangreichen Roman mit dem Titel Needful Things, dessen Veröffentlichung für nächstes Jahr vorgesehen ist und der krönende Abschluß meiner Beschäftigung mit den Bewohnern von Castle Rock sein wird.
Bindeglied zwischen diesen beiden längeren Werken ist die nachfolgende Geschichte. In >Zeitraffer< werden Ihnen wenige, wenn überhaupt, der großen Gestalten von Castle Rock begegnen, aber Sie werden immerhin Pop Merrill kennenlernen, dessen Neffe Ace Merrill der böse Bube der Stadt ist (und Gordie LaChances bete noire in >Die Leiche<). >Zeitraffer<
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