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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Der schwarze Pfeil, die aufgeschlagen und verkehrt herum auf dem Boden liegt.
    Sam kriecht dem Tageslicht auf Händen und Knien entgegen.
    Blätter kitzeln sein verschwitztes, tränenüberströmtes Gesicht, Zweige kratzen ihm über den Rücken und seine schmerzende Kehrseite. Er nimmt Der schwarze Pfeil mit, aber er wird das Buch nicht in die Bibliothek bringen. Er wird niemals, niemals wieder diese oder eine andere Bibliothek betreten: Dieses Versprechen gibt er sich, während er vom Ort seiner Bestrafung fortkriecht. Und er leistet noch einen Schwur ab: Niemand wird je etwas von dieser schrecklichen Sache erfahren, weil er die Absicht hat zu vergessen, daß sie jemals passiert ist. Er spürt, daß er das kann. Er kann es, wenn er sich ganz, ganz große Mühe gibt, und er will auf der Stelle damit anfangen, sich ganz, ganz große Mühe zu geben.
    Als er den Rand der Büsche erreicht, sieht er sich wie ein kleines, gehetztes Tier um. Er sieht Kinder auf dem Rasen laufen. Den Bibliothekspolizisten sieht er nicht, aber das spielt selbstverständlich keine Rolle; der Bibliothekspolizist sieht ihn. Von heute an wird der Bibliothekspolizist immer in seiner Nähe sein.
    Endlich ist der Rasen verlassen. Ein kleiner, zerzauster Junge, Weißsamchen, krabbelt mit Blättern in den Haaren und schmutzigem Gesicht aus den Büschen. Sein Hemdzipfel flattert lose hinter ihm her. Seine Augen sind aufgerissen und starr und nicht mehr ganz normal. Er huscht zu den Betonstufen hinüber, wirft einen verstohlenen, entsetzten Blick auf die geheimnisvolle lateinische Inschrift über der Tür und legt dann sein Buch mit der Vorsicht und Angst eines Mädchens auf die Stufen, das ihr ungetauftes Kind auf der Schwelle eines Fremden aussetzt. Dann fängt Weißsamchen an zu laufen: Er läuft über den Rasen, er kehrt der Zweigstelle Briggs Avenue der öffentlichen Bibliothek von St. Louis den Rücken und läuft, aber es ist einerlei, wie schnell er läuft, denn er kann dem Geschmack von roter Lakritze in Mund und Rachen nicht davonlaufen, dem zuckersüßen, klebrigen Geschmack, und so schnell er auch läuft, der Bibliothekswolf läuft selbstverständlich mit ihm, und der Bibliothekswolf flüstert Komm mit mir, Junge ich bin Poliziiissst, und das wird er immer flüstern, durch all die Jahre wird er es flüstern, in den dunklen Träumen, an die Sam sich nicht zu erinnern wagt, wird er es flüstern, und Sam wird immer vor dieser Stimme weglaufen und schreien: Ist sie bezahlt? Ist die Strafe schon bezahlt? O lieber Gott, bitte, IST MEINE STRAFE JETZT BEZAHLT?
    Und die Antwort, die er darauf bekommt, ist stets dieselbe: Sie wird niemals bezahlt sein, Junge; sie wird niemals bezahlt sein.
    Niemals.
    Nie
    Kapitel Vierzehn

DIE BIBLIOTHEK (III)
    1
    Der Anflug auf die Staubstraße, die Stan Flughafen von Proverbia nannte, war holprig und furchteinflößend. Die Navajo kam herunter, tastete sich einen Weg durch wütende Luftmassen und landete mit einem letzten Ruck, der durch alle Knochen ging. In dem Moment stieß Sam einen schrillen Schrei aus. Er riß die Augen auf.
    Naomi hatte geduldig auf so etwas gewartet. Sie beugte sich augenblicklich nach vorne, achtete nicht auf den Sicherheitsgurt, der ihr in den Leib schnitt, und legte die Arme um Sam. Sie achtete auch nicht auf seine abwehrend erhobenen Arme und das erste instinktive Zurückschrecken, ebensowenig auf den ersten heißen und unangenehmen Atemschwall. Sie hatte eine Vielzahl Betrunkener beschwichtigt; dies war kaum anders. Sie konnte sein Herz spüren, als sie sich an ihn drückte. Es schien gleich unter dem Hemd zu flattern und zu hüpfen.
    »Schon gut, Sam, schon gut ich bin es nur, und Sie sind wieder bei uns. Es war ein Traum. Sie sind wieder bei uns.«
    Einen Augenblick versuchte er noch, sich in seinem Sitz zu verkriechen. Dann sank er schlaff in sich zusammen. Er hob die Hände und umarmte Naomi voll panischem Eifer.
    »Naomi«, sagte er mit schroffer, erstickter Stimme. »Naomi, o Naomi, gütiger Himmel, was für einen Alptraum ich hatte, was für einen schrecklichen Alptraum.«
    Stan hatte zuvor einen Funkspruch abgesetzt, und jemand war gekommen und hatte die Lichter der Rollbahn angemacht. Jetzt holperten sie zwischen ihnen dem Ende der Bahn entgegen. Sie hatten es doch nicht geschafft, dem Regen zu entgehen; er trommelte hohl auf den Rumpf des Flugzeugs. Vorne grölte Stan Soames etwas, das >Camptown Races< sein konnte.
    » Wares ein Alptraum?« fragte Naomi und wich von Sam zurück,

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