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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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einer dringenden geschäftlichen Verpflichtung absagen müssten, oder ob es ratsam wäre, ihr das persönlich zu sagen.
    Er schwankte nur kurz mit seiner Entscheidung. Sie war seine große Liebe, und wollte er offenen Beziehungskrieg vermeiden, musste er ihr das persönlich sagen. Silky wirkte mit ihren strahlend blauen Augen und den weichen blonden Locken restlos bezaubernd. Und harmlos. Was auch meistens zutraf, nur wenn sie in Wut geriet, glich sie einem explodierenden Vulkan, bei dem alle in Deckung gingen. Er als Allererster.
    Seine Gedanken sprangen zurück zu dem Augenblick ihres Kennenlernens im Frühsommer vor über zwei Jahren. Plötzlich roch er Jasmin, süß und betörend, meinte das Rauschen von uralten Kastanienbäumen zu vernehmen, das Zwitschern der Schwalben auf den Dachfirsten und fühlte die knisternde Spannung, die ihm den Atem genommen hatte, als er ihr zum ersten Mal in die Augen geblickt hatte.
    Sein Herz reagierte mit einem Doppelschlag. Er lächelte. Für immer würde er mit diesem Duft, diesen Geräuschen, die Erinnerung an den wunderbarsten Tag seines Lebens verbinden. Für ihn hatte Silky ihre Karriere und ihre Freunde hinter sich gelassen, deswegen musste er jetzt sofort nach Hause fahren, um ihr zu sagen, dass sie die Verlobungsfeier verschieben mussten.
    Im Jugendstilspiegel, der zwischen den beiden hohen Fenstern hing, sah er sich selbst ins Gesicht. Wie sollte er ihr das nur beibringen? Hi, Silky, Liebling, du, was ich dir sagen wollte, tut mir leid, aber aus der Verlobungsparty wird nichts …
    Das klang so jämmerlich, dass ihm ganz schlecht wurde. Er würde sich etwas anderes einfallen lassen müssen. Niedergeschlagen wandte er seinem Spiegelbild den Rücken zu, hob seine Jacke vom Boden auf, zog sie an, wickelte den dicken Schal um den Hals und schloss das Büro hinter sich ab. Draußen empfingen ihn dichtes Schneegestöber und eisige Kälte. Tief gegen den Wind gebeugt, lief er zur Parkgarage.

2
    S ilke hatte sich in der Küche einen Kaffee gemacht, als sie Marcus’ Wagen in die Einfahrt biegen sah.
    Vergnügt lief sie zur Tür, um ihm zu öffnen. Der Wagen glitt eben in den Carport, und kurz darauf rannte Marcus, Laptop und Aktentasche unter dem Arm, den Weg zum Eingang hoch. Ein Wirbel von Schneeflocken trieb ihn ins Haus, und Silke warf die Tür schnell hinter ihm ins Schloss.
    »Gib mir deine Jacke, die ist ja klatschnass. Ich hänge sie auf.«
    Er schälte sich aus der Lederjacke, steckte den Schal in den Ärmel und reichte sie ihr wortlos. Silke hängte sie an die Außenseite des Garderobenschranks.
    »Toll, dass du früher kommst.« Sie strahlte ihn an. »So können wir noch in Ruhe einen Kaffee trinken, bevor wir essen gehen. Was möchtest du haben? Kaffee, Espresso oder Cappuccino?«, fragte sie und wollte gerade zurück in die Küche gehen, als ihr klar wurde, dass er weder ein Wort gesagt noch ihr einen Kuss gegeben hatte. Was ungewöhnlich war. Sie drehte sich wieder zu ihm um.
    Marcus stand mit hängenden Armen vor ihr. Seine Gesichtsfarbe war fahl, Wasser tropfte ihm aus den Haaren in den Hemdkragen, und sein Mund öffnete und schloss sich wie bei einem Fisch auf dem Trockenen, aber er brachte keinen Ton hervor.
    »Sind dir Muskeln und Stimme eingefroren?« Mit liebevollem Spott strich sie ihm über die Wange. »Wäre ja kein Wunder bei dieser Kälte.«
    Seine Haut fühlte sich kalt und klamm an, und sie hoffte, dass er sich nicht bei seinem Vater mit der Grippe angesteckt hatte. Sie hatte sich auf diese Party schon lange gefreut, und das Kleid, was sie dafür gekauft hatte, war ziemlich teuer gewesen. Mit einem Anflug von Besorgnis befühlte sie seine Stirn. Sie war ebenfalls kalt. Fieber hatte er also wohl nicht.
    »Marcus? Ist etwas? Fühlst du dich nicht wohl?«, fügte sie hinzu, als er nicht antwortete.
    Mit einer ruckartigen Bewegung wischte er sich mit dem Handrücken über die Stirn und schüttelte gleichzeitig vehement den Kopf. »Nein, ach was, es ist alles … in Ordnung. Bin einfach nur durchgefroren.« Er betrachtete sich im Garderobenspiegel, vermied es aber dabei, sie anzusehen. »Sauwetter heute«, murmelte er und beschäftigte sich mit dem korrekten Sitz seines aufgeweichten Hemdkragens.
    Silke versuchte, seinen Blick im Spiegel einzufangen, aber seine Augen glitten zur Seite. Mit beiden Händen strich er sich die Nässe aus dem kurzen Haar, drückte ihr anschließend mit kalten Lippen einen Kuss auf den Mund, klemmte sich Akten tasche und Laptop

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