Nachtsafari (German Edition)
auf der geschlossenen Ladefläche lagen. Und die gespannte Aufmerksamkeit, mit der Greta während der Fahrt die Umgebung unablässig beobachtete. Als erwartete sie jeden Augenblick einen Überfall.
Vorsichtig fragte Silke Greta, wer dieser Hellfire war, der sie so gut kannte, dass er von ihrem Eintopf mit Hühnchen schwärmte.
»Ich bin mit Hellfire aufgewachsen. Wir waren Freunde«, war die ebenso überraschende wie knappe Antwort.
Silke musterte Greta erstaunt von der Seite und fragte sich, was passiert sein musste, um eine Frau wie Greta – die sie für ziemlich unerschrocken und bodenständig hielt – dazu zu bewegen, Freunde mit einem Gewehr zu bedrohen.
Greta, die offenbar ihren Blick aufgefangen und richtig interpretiert hatte, hob die Schultern. »Seit einem Jahr campiert Hellfire mit den anderen Kerlen illegal auf meinem Land. Sie überfallen mich in regelmäßigen Abständen, um mir genügend Angst einzujagen, damit ich meine Farm verlasse. So machen sie das immer. Fast alle meine Farmarbeiter sind abgehauen, Dutzende meiner Nachbarn sind schon geflohen, und eine Handvoll davon hat’s erwischt. Sie sind entweder tot oder verletzt.«
Silke schwieg schockiert, versuchte sich ein solches Leben vor zustellen. Aber ihre Fantasie reichte nicht aus. »Wie halten Sie das aus?«
Greta schnaubte abfällig. »Da ich nicht freiwillig das Feld räumen werde wie meine Nachbarn, werden sie über kurz oder lang versuchen, auch mich zu töten. Aber ich tue mein Bestes, das zu verhindern.« Ihr Ton war fast gleichgültig, und sie streichelte bei diesen Worten mit abwesendem Ausdruck über ihr Gewehr. »Die Carlssons sitzen seit 1880 auf diesem Land, und ein paar abgerissene Landstreicher kriegen mich hier nicht weg …« Den Rest des Satzes verschluckte sie. »Nur über meine Leiche«, flüsterte sie mit grimmiger Miene.
Und Silke glaubte ihr das aufs Wort.
Unmerklich hatte sich das Nachtblau gelichtet, und als sie die Auffahrt von Inqaba entlangfuhren, kündigte türkises Licht am Horizont den nahenden Morgen an. Ein offener Safariwagen voller Touristen kam ihnen entgegen. Auf einem winzigen Schalensitz über dem linken Kotflügel saß ein Zulu mit einem starken Scheinwerfer. Er leuchtete zu Greta hinüber und rief ihr etwas auf Zulu zu. Die Farmersfrau lachte, antwortete in derselben Sprache und bog anschließend auf den Parkplatz ein.
Im gelben Schein der Laternen warteten, von Mückenwolken umtanzt, Jill Rogge und ihr Mann. Jill, die ein schulterfreies, rotes Kleid trug, das ihre Figur bestens betonte, lief zur Beifahrertür und riss sie auf, kaum dass Greta angehalten hatte.
»Silke, bin ich froh, dass wir dich gefunden haben. Jesses, du siehst aber mitgenommen aus.« Sie deutete auf Silkes geschundene Füße. »Bist du sonst wo noch verletzt?«
Silke versicherte auch ihr, dass es ihr gut gehe und dass sie von Greta Carlsson mehr als gut versorgt worden sei. »Jedenfalls stinke ich nicht mehr wie ein Warzenschwein.«
Greta lehnte sich aus dem Fenster. »Sie hat sich mit einem Warzenschwein um sein Loch gestritten«, bemerkte sie grinsend. »Sie war unter der dicken Dreckkruste kaum noch als menschliches Wesen zu erkennen. Tiny hat sich fast zu Tode erschrocken.«
Nils reichte Silke seine Hand und half ihr vom Sitz herunter. »Nachher musst du uns alles haarklein erzählen.« Er nahm sie ohne viel Federlesens in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf beide Wangen. »Keine Angst, wir finden deinen Marcus. Die Buschtrommeln dröhnen schon durchs Land, und auch in der hintersten Ecke Zululands weiß man, dass er gesucht wird. Wer immer ihn entführt hat, kann sich nicht mehr lange verstecken.«
Für einen flüchtigen Augenblick glaubte Silke, wieder den dumpfen Rhythmus von Trommeln im feuchten Nachtwind wahrzunehmen, sah Feuer flackern, dunkle Gestalten tanzen und Raubtieraugen im Dunkeln glühen. Urangst vor einer Welt der dunklen Mächte kroch in ihr hoch. Hastig riss sie sich zusammen.
»Kinder, ich muss wieder los«, rief Greta. »Tiny ist allein mit den Hunden, und die Zulumeute schleicht ums Haus. Lasst euch von Silke mal erzählen, wer sie zu mir gebracht hat. Ihr werdet es nicht glauben! Und macht ihr mal klar, in welche Gefahr sie sich dabei begeben hat. Diese Übersee-Touristen haben doch keine Ahnung, was hier abgeht. Die würden blindlings in eine Shebeen voller Gangster tappen und es nicht merken. Wenn ich schon das Gesäusel von den armen, unterdrückten Schwarzen höre …« Damit wendete
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