Nachtsafari (German Edition)
massierte sie die Stelle, aber der Schmerz blieb. Und die Vorstellung von dem, was der Ranger Marcus angetan haben könnte.
Die Frau beobachtete sie aufmerksam. »Silke – auch gut«, sagte sie, während sie zum Herd ging. »Ich heiße Greta Carlsson. Mir gehört die Farm. Ich denke, Sie sollten erst mal duschen. Sie …«, sie grinste belustigt, »Sie riechen etwas streng. Beim Frühstück können Sie mir dann erzählen, was vorgefallen ist, das Sie in die Fänge von Hellfires Gang getrieben hat. Danach sehen wir weiter.« Sie riss eine Tür am Ende der Küche auf.
»Tiny!«, brüllte sie. »Wir könnten hier Frühstück gebrauchen – Tiny ist mein Hausmädchen«, erklärte sie Silke. »Sie wird durch den Krach da draußen sowieso aufgewacht sein. Wenn es hier mal wieder rund geht, steht sie immer auf, egal, wie spät es ist. Sie sagt, sie hat nicht vor, im Bett ermordet zu werden.«
Silke starrte sie an. »Was?«
Greta ging zur Spüle, wusch langsam, wie in Gedanken versunken, ihre Hände. Schließlich drehte sie sich zu Silke um. »Was glauben Sie denn, was diese Kerle da vorhaben?« Sie blickte Silke mit milder Provokation an. »Bei der nächsten Gelegenheit schlach ten die uns ab, wie sie das schon mit …« Sie brach ab, schluckte hart. Auf ihrem Gesicht spielte sich ein heftiger Kampf ab. »Ach verdammt, lassen wir das«, sagte sie schließlich und trocknete sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab.
»Aber … aber«, stotterte Silke. »Hellfire und seine Freunde waren nur freundlich zu mir und haben mir sofort geholfen.«
»Was ich mir wirklich nicht erklären kann«, erwiderte Greta und starrte in die Nacht hinaus. Sie schien etwas zu sehen, was Silke nicht sehen konnte. »Sie haben riesiges Glück gehabt. Die sind wie hungrige … Hyänen.«
Das letzte Wort war eine mit Hass aufgeladene Verwünschung, und Silke hatte das deutliche Gefühl, dass die Bemerkung gar nicht mehr an sie gerichtet war. Während sie noch darüber nachdachte, flog hinter ihr die Tür auf, und eine übergewichtige Afrikanerin in Unterwäsche stürzte herein.
»Was ist passiert? Ist Hellfire hier? Kommt die Polizei?«, kreischte sie und zerrte sich gleichzeitig ein rotes T-Shirt über ihre wogenden Formen hinunter bis zu ihren bloßen Schenkeln.
»Nichts ist passiert«, antwortete Greta. »Sie sind weg.«
Das dunkle Gesicht tauchte mit angstvoll aufgerissenen Augen aus dem Halsausschnitt wieder auf. »Hatte das was mit Ihrem Mann zu tun? Wollte er ihn … ausgraben?« Als die Farmersfrau den Kopf schüttelte, atmete die Zulu hörbar durch und schob ihr Haar zurecht, das steif vor Gel wie ein glänzend schwarzes Dach von ihrem Kopf abstand. Erst jetzt fiel ihr Blick auf Silke, und sie fuhr mit allen Anzeichen von Panik vor ihr zurück.
Greta fing den Blick auf. »Mach dir keine Sorgen, Tiny, das ist kein Schlammwurm. Das ist eine Frau. Sie heißt Silke und ist eine Touristin aus Übersee. Sie hatte einen Unfall.«
»Hallo«, sagte Silke.
Tiny schlug eine Hand vor den Mund und zog ein bestürztes Gesicht. »Oh, sorry, Madam. Sorry. Und Hellfire? Hat der was mit dem Unfall zu tun? Hat er ihr was angetan? Sie vergewaltigt?« Mit vorgeschobener Unterlippe musterte sie ihr Gegenüber eingehend.
»Nein, nein, er hat mir geholfen«, erwiderte Silke.
Die Zulu starrte sie perplex an. »Hellfire? Ihnen geholfen? Er hat Sie nicht …« Tiny ließ den Satz unbeendet.
Silke nickte, und Tinys verwirrter Blick flog zu Greta, die mit den Schultern zuckte. Die Zulu wiegte ungläubig den Kopf hin und her, schnalzte dabei mit der Zunge. »Soll ich Frühstück machen?«, fragte sie dann und knallte eine Pfanne auf den Herd.
»Ja, bitte«, stimmte die Farmersfrau zu. »Schinkenspeck und Eier. Für Sie auch, Silke?«
Silke schüttelte den Kopf. »Nur Kaffee, bitte.«
Im Augenblick würde sie nichts herunterbekommen. Durst hatte sie, und sie fror, obwohl es feuchtheiß war, aber das war mit Sicherheit eine verspätete Reaktion auf den Horror im Busch. Sie sah das verzerrte Gesicht des Rangers vor sich, hörte wieder Marcus’ Stimme, der ihr zurief wegzulaufen, und jäh gaben ihre Beine unter ihr nach. In letzter Sekunde schaffte sie es gerade noch, sich seitwärts auf einen der Holzstühle fallen zu lassen. Mit beiden Händen klammerte sie sich an der Tischplatte fest und wartete, bis sich die schwarzen Flecken vor ihren Augen wieder verziehen würden.
»Hier«, hörte sie Greta neben ihr sagen. »Trinken Sie, dann geht’s schon
Weitere Kostenlose Bücher