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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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liebsten eine Ohrfeige verpasst.
    Marcus schien nichts bemerkt zu haben, denn er beschäftigte sich hingebungsvoll damit, seinen Mantel zuzuknöpfen, was ihm bei seinem Alkoholpegel offenbar Schwierigkeiten bereitete. Dabei vermied er jeden Blickkontakt mit ihr. »Immer bleiben Knöpfe übrig, versteh ich nicht«, murmelte er stirnrunzelnd und gab auf.
    Silke zog ein genervtes Gesicht. »Trink weniger, dann passt es auch mit den Knöpfen.« Mit ein paar Handgriffen schloss sie sei nen Kragenriegel. Er neigte zu Halsentzündungen und Bronchitis.
    »Na, nun erzähl schon. Wann hat’s bei euch denn gefunkt? Wer hat wen angebaggert?« Olaf schaute von einem zum anderen.
    »Also«, begann Marcus, »es war Anfang Juni vor zweieinhalb Jahren in Hamburg. Ich suchte die Adresse eines Geschäftsfreundes und bog in Eppendorf …«
    »Winterhude«, zischte Silke. »Ich meine es ernst, hör jetzt auf. Wir haben weiß Gott andere Probleme.« Sie bemerkte, dass Olaf aufhorchte und sie mit neugierig funkelndem Blick musterte. Sie biss sich auf die Lippen. Wusste Olaf von ihren Schwierigkeiten, wusste es jeder. »Lass es einfach«, sagte sie leise, wich aus, als Marcus sie streicheln wollte.
    Hinter ihnen stieg eine Rakete hoch und zerbarst in Millionen goldener Sterne, die langsam auf die schneebedeckte Straße hinunterschwebten. Marcus beobachtete den Glitzerregen, der sich für Sekunden in Silkes Augen spiegelten.
    »Es war der Augenblick, in dem ich mich unsterblich in dich verliebt habe«, flüsterte er »Der glücklichste Augenblick in meinem Leben.« Er startete einen zaghaften Versuch, ihre Hand zu ergreifen. Als sie es geschehen ließ, atmete er hörbar auf.
    »Okay, du hast sie also kennengelernt, wie auch immer, das ist ja sch… egal, oder? Und wie ging’s weiter?«, lallte Olaf. »Seid ihr gleich in die Koje gesprungen?«
    »Idiot«, murmelte Silke. »Ständig nur das eine im Kopf.«
    Olaf grinste selig. »Na, immer doch.« Bevor sie sich wehren konnte, griff er unter ihren Mantel, schob ihr seine Hand in den Ausschnitt und ließ sie über ihre bloße Haut gleiten.
    »Olaf!«, zischte sie.
    Marcus allerdings reagierte völlig überraschend. Seine Hand schoss blitzschnell vor, packte Olafs Handgelenk, drehte es ruckartig um, dass sein Freund aufjaulend vor Silke in die Knie ging. Gleichzeitig hob er die Faust und hätte ihm wohl ins Gesicht geschlagen, wenn Silke ihm nicht in den Arm gefallen wäre. Mehr erschrocken als wütend packte sie ihn am Mantelkragen.
    »Hör auf, was ist los mit dir?«, rief sie und schüttelte ihn wie damals den Radfahrer, bis er wieder zur Besinnung kam und die Faust sinken ließ. Bestürzt hielt sie ihn weiter fest. Noch nie in ihrer Beziehung hatte er irgendwelche Anzeichen von Aggressivität gezeigt.
    Olaf zog sich am Balkongeländer wieder hoch und starrte ihn an. »Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?«
    »Ja, was ist nur los mit dir«, flüsterte Silke, meinte aber etwas ganz anderes als Olaf.
    »Lass einfach deine Finger von Silke«, knurrte Marcus, »dann gibt’s auch kein Problem, kapiert?«
    »Okay, okay«, murrte Olaf aufsässig.
    »Marcus?«, sagte Silke leise.
    Er antwortete nicht. Abwesend verfolgte er die Schneeflocken, die im leuchtenden Raketenregen leise vom Himmel fielen.
    »Alles in Ordnung«, flüsterte er schließlich und legte ihr ganz vorsichtig den Arm um die Schultern, als erwartete er, dass sie sich wehren würde.
    Das tat sie nicht, sondern lehnte sich an ihn, spürte seine Körperwärme, spürte aber auch sein inneres Zittern. Sie bemerkte, dass Tränen in seinen Augen schimmerten, und erschrak. Irgendetwas musste ihn völlig aus der Bahn geworfen haben. Geweint hatte er in ihrer Gegenwart noch nie. Stumm drückte sie seine Hand.
    »Lass uns gehen«, sagte sie leise und hakte sich bei ihm unter. »Es ist jetzt Viertel vor zwei, und du hast einen harten Tag gehabt«, fügte sie hinzu, als er zögerte. »Morgen kannst du ausschlafen, und du wirst sehen, dann wird die Welt wieder in Ordnung sein.«
    »Sicher«, sagte Marcus tonlos.
    Sie waren nicht die Ersten, die sich verabschiedeten, wie sie schnell feststellte. Die Reihen hatten sich schon deutlich gelichtet, nur der harte Kern saß noch an der Bar.
    Silke verzog das Gesicht. Ab jetzt würde das Ganze in ein grandioses Besäufnis ausarten, und dazu hatte sie überhaupt keine Lust. »Komm, wir verabschieden uns«, sagte sie und zog Marcus zur Bar.
    Olaf und Nicole versuchten, sie zum Bleiben zu überreden,

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