Nachtsafari (German Edition)
sie an. Eine grüne Rakete explodierte in der Nähe, und das zuckende Licht gab ihm ein geisterhaftes Aussehen.
»Wir müssen unsere Verlobung absagen«, platzte es aus ihm heraus.
Sie hielt sich am Balkongeländer fest. »Wie bitte?«, flüsterte sie.
»Ich meine nicht … natürlich nicht … nur die Feier …« Hilflos verhedderte er sich in seinen Worten, verstummte, versuchte, ihr ungeschickt einen Arm um die Schulter zu legen, und kratzte ihr dabei über den nackten Oberarm.
Vor Schreck konnte sie ihn nur entsetzt anstarren, verstand sekundenlang nicht, was er gesagt hatte. Dann traf es sie wie ein Schlag. Abrupt schob sie ihn von sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn sie sich über etwas aufregte, verschaffte sie sich meistens in flammenden Gefühlsausbrüchen Luft, aber diese Ausbrüche waren wie ein stürmisches Sommergewitter – genauso harmlos und genauso schnell vorüber. Und die Versöhnung umso süßer.
Jetzt aber lag ihr ein harter Eisklumpen im Magen, ein Gefühl von Bedrohung stieg in ihr auf. Die Kälte war plötzlich aggressiv geworden, eine Kälte, die in die Knochen kroch und ihre Seele frie ren ließ. Was versuchte er ihr zu sagen? Wollte er mit ihr Schluss machen? In ihrem Kopf überschlugen sich die Fragen, doch sie bekam kein Wort heraus.
»Bitte«, sagte er und wich ihrem Blick aus. Nervös rieb er seine Hände aneinander, stammelte etwas von einem dringenden Flug nach Südafrika und sah dabei zunehmend elender aus.
Der Eisklumpen in ihr wuchs. »Was?«, fuhr sie ihn an. Seine Worte hatte sie zwar gehört, aber nicht wirklich verstanden. »Willst du dich … willst du dich von mir trennen?« Die letzten drei Worte brachte sie kaum über die Lippen.
Marcus sah sie verständnislos an. »Wovon redest du? Ich sagte, ich muss nach Südafrika.« Sein Blick wurde flehentlich.
»Warum?«, fragte sie und ließ ihre Stimme klirren.
»Was warum?«
»Warum musst du nach Südafrika fliegen?« Sie betonte jedes Wort. »Hör endlich auf herumzustottern. Spuck’s aus, und zwar in allen Einzelheiten.«
»Geschäftlich, es ist wichtig.« Es klang lahm, und er sah dabei zu Boden.
Es dauerte eine Weile, bis sie die nächsten Worte mit zitterndem Herzen hervorpressen konnte. »Wichtiger als unsere Verlobungsfeier?«
»Was? Nein, natürlich nicht … doch … nein, aber es ist was schiefgegangen …« Mit einer hilflos wirkenden Geste brach er ab.
»Was willst du damit sagen? Verdammt, erklär mir das! Von Anfang an. Was ist passiert? Warum benimmst du dich, als wäre die Welt zusammengebrochen?« Ohne es zu bemerken, hatte sie geschrien.
Er antwortete nicht gleich, sondern blickte lange dem goldfunkelnden Schweif einer vorbeifliegenden Rakete nach. Sein Gesicht war kreidebleich geworden. Schließlich holte er tief Luft, als müsste er sich für den nächsten Schritt stählen. »Ich arbeite mit einer Mine in Südafrika zusammen, von denen ich termingemäß eine Lieferung seltener Erden bekommen habe«, begann er schließlich, »aber die Muster, die ich ziehen ließ, sind so minderwertig, dass ich sie nicht gebrauchen kann. Mein Kunde – es ist einer der größten Elektronikkonzerne in Deutschland – wird diese Qualität ablehnen.«
»Und das ist so schlimm, dass du unsere Verlobung absagen willst? Wenn das so ist, kauf dieses Zeug doch woanders ein.«
Marcus rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht und sah sie verzweifelt an. »Wenn das so leicht wäre. So schnell bekomme ich keine ausreichenden Mengen heran, das ist das Problem, und der Markt ist ohnehin praktisch leer gekauft.«
Sie sah ihn ungeduldig an. »Und das ist ein Problem? Es gibt doch sicher noch mehr Firmen, die diese Erden – was immer das ist – gebrauchen können.«
»Nein … das heißt, ja es gibt Firmen, aber das nützt mir nichts, die wollen auch nur Premiumqualität.« Mit gequältem Ausdruck schüttelte er den Kopf. »Ich muss da runter, da stinkt etwas gewaltig zum Himmel. Die Analyse ergab, dass die Qualität des Musters im Gegensatz zu der, die dem Kaufvertrag mit meinem Kunden zugrunde liegt, deutlich minderwertig ist. Eine Kontroll analyse brachte das gleiche Ergebnis, und ich vermute, dass das Zeug nicht aus der Mine stammt, von der ich bisher das Material bezogen habe. Ich habe sofort bei Rob Adams, dem Manager der Mine in Südafrika, angerufen und eine Erklärung verlangt, aber …« Er versank wieder in brütendem Schweigen.
»Und, was hat er gesagt?«
Marcus hieb überraschend mit einer
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