Nachtsafari (German Edition)
umstritten.«
»Greta hat mir aber erzählt, dass ihre Vorfahren schon seit 1880 dieses Land besitzen. Das muss doch zählen. Geht die Polizei nicht gegen solche Leute wie ihn vor?«
Jill warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Extrem selten. Meistens sympathisieren sie mit den Besetzern.«
Horrorszenen von Farmbesetzungen in Simbabwe, die im deutschen Fernsehen gezeigt worden waren, von ermordeten Farmern, geplünderten, brennenden Häusern, spulten sich in Silkes Kopf ab. »Spricht nicht gerade für die Unabhängigkeit eurer Polizei.«
Jill gab darauf keine Antwort, aber in ihrem Gesicht konnte Silke lesen, dass diese Bemerkung einen Nerv getroffen hatte. Schamröte flutete ihr Gesicht.
»Sorry«, flüsterte sie. »Natürlich verstehe ich nichts von den hiesigen politischen Verhältnissen, und ich wollte sicherlich nicht den deutschen Zeigefinger hochhalten.« Zu ihrer Erleichterung wurde die Bemerkung mit einem schnellen Lächeln von Jill belohnt. In Zukunft würde sie auf ihre Wortwahl achten müssen, um nicht Gefahr zu laufen, ständig jemand auf die Zehen zu treten. Vorsichtig tastete sie sich vor. »Hellfire hat mir Gretas Eintopf angepriesen, und Greta erzählte, dass sie und Hellfire früher Freunde gewesen seien, dass er auf der Farm gewohnt habe … Weißt du, was vorgefallen ist, dass sie sich heute so hassen, dass sie mit Waffen aufeinander losgehen?«
»Wie ich sagte, es geht um Land. Wie immer in Südafrika.« Jill hob die Schultern. »Hellfire behauptet, dass seine Vorfahren damals gewaltsam von dem Gebiet vertrieben wurden, wo heute Gretas Farm steht, und dass sein Großvater dort begraben liegt. Das ist ein Grund in Südafrika, offiziell Anspruch auf das Land anzumelden.«
Jill trat ans Fenster und betrachtete ein leuchtend grünes Chamäleon, das in seinem seltsam schaukelnden Gang die Veranda überquerte. »Es gibt mehrere Gräber von Greta Carlssons Familie dort und ein unmarkiertes, aber niemand weiß, wer drin liegt. Oder was.«
»Oder was?«
Ein grimmiger Zug erschien um Jills Mund. »Hellfire hat oft genug gezeigt, dass er sehr kreativ ist«, war die ominöse Antwort.
Damit musste sich Silke zufriedengeben. Der Verdacht, dass diese Bemerkung sich nicht nur auf Hellfire bezog, sondern auch auf Vorfälle zielte, die Jill und ihre Familie betrafen, drängte sich ihr sofort auf, den Rest erledigte ihre Fantasie. Die Frage, wie man in einer solchen Atmosphäre leben konnte – besonders mit Kindern –, verkniff sie sich. Das ging sie nichts an. Sowie Marcus in Sicherheit war, würde sie darauf bestehen, das Land sofort zu verlassen. Ohne über die einheimischen Märkte gebummelt zu sein. Auch auf den Kurzurlaub am Meer würde sie verzichten.
Sie ging in ihr Zimmer, pulte in Windeseile ihre durchweichten Papiere und Geldscheine aus der Tasche, breitete sie behutsam auf dem Bett aus und trocknete sie mit dem Föhn. Obwohl die Tinte der Stempel in ihrem Pass teilweise leicht verlaufen war, waren die Eintragungen zu ihrer Freude doch klar zu lesen. Sie ließ die Sachen noch weiter zum Trocknen liegen. Einem Impuls folgend, packte sie ihre Buschstiefel in eine Plastiktüte, ergriff ihre ramponierte Tasche, setzte die Sonnenbrille auf und lief durch den Blättertunnel, der im Sonnenlicht wie eine lichte, grüne Kathedrale wirkte, zum Parkplatz.
Zufrieden stellte sie fest, dass Karen, die Chefin der Autovermietung, höchstpersönlich auf dem Parkplatz neben dem Ersatzwagen auf sie wartete. Ein Mitarbeiter lehnte am Kotflügel eines zweiten Autos. Silke nahm an, dass er Karen zurück nach Umhlanga fahren würde.
Sie begrüßte beide mit Handschlag. »Wunderbar, dass Sie jetzt schon da sind.«
»Ich würde gerne mit Ihnen zusammen ins Umfolozi-Wildre servat fahren«, sagte Karen. »Ich möchte mir ein Bild vom Zustand des Wagens machen. Für die Versicherung. Wir fahren zusammen, Tuli …«, sie deutete auf ihren Mitarbeiter, »Tuli folgt uns mit meinem Wagen.«
»Ich habe leider eine andere Verabredung«, winkte Silke hastig ab. »Aber ich war heute schon am frühen Morgen dort und habe extra für Sie Fotos gemacht.« Sie fischte ihr Handy aus der Umhängetasche, rief die Bilder auf und reichte Karen das Gerät. »Mit dieser Taste können Sie die Fotos durchblättern. Ich könnte Ihnen die Bilder auch an Ihre Mail-Adresse schicken.«
Karen und ihr Mitarbeiter beugten sich über das Telefon. »Jesus«, stieß Karen hervor, Tuli riss die Augen auf und pfiff durch die Zähne. »Ihr könnt
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