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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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platt drückten. Silke presste sich in ihren Sitz und wimmerte. »Hilfe«, stammelte sie, konnte wie in einem schlimmen Albtraum nicht laut schreien, sondern nur flüstern.
    Und dann bückte sich der Größte und hob einen Stein auf. Marcus’ Hände am Lenkrad wurden weiß. Aber bevor er reagieren konnte, nahm Silke ihren ganzen Mut zusammen und ließ ihr Fenster um zwei Fingerbreit herunter.
    »Sorry«, rief sie den Zulus auf Englisch durch den Spalt zu. »Meinem Mann ist einfach der Fuß von der Bremse gerutscht! Tut uns schrecklich leid. Haben Sie sich verletzt? Sollen wir Ihnen helfen?«
    Die schwarze Faust mit dem Stein schwebte hoch in der Luft, der Mann fixierte sie mit einem Blick, der ihr glühend heiß durch die Adern jagte.
    »Ah«, sagte der Zulu endlich und senkte seine Faust. Ein paar Sekunden flog sein Blick zwischen Silke und Marcus hin und her und blieb an Silkes Gesicht hängen. Ihre Augen trafen sich. Sie hörte auf zu atmen. Dann bog sich sein Mund zu einem schneeweißen Lächeln, das immer breiter wurde, immer spöttischer. Schließlich hob er eine Hand, wie um Silke zu salutieren, winkte seinen Genossen und sagte etwas auf Zulu in einem Ton von jemandem, der es gewohnt war, dass man seinen Befehlen folgte.
    Die Männer traten daraufhin vom Auto zurück und schlenderten davon.
    Marcus fiel aufatmend in seinen Sitz zurück.
    Jetzt aber rastete Silke aus. »Sag mal, kannst du nicht mal normal reagieren?«, zischte sie. »Was, wenn die Schusswaffen gehabt hätten?«
    Er zuckte die Schultern. »Man kann nie wissen.«
    Diese lapidare Antwort ließ die Wut in ihr fast überkochen, aber bevor die Auseinandersetzung eskalieren konnte, hielt ein Auto – ein großer Geländewagen mit getönten Scheiben. Die Fahrertür wurde geöffnet, und ein älterer, gut gekleideter Zulu stieg aus. Aus dem Beifahrerfenster lehnte sich eine ebenfalls ältere Frau, die unter der Krempe eines orangefarbenen Huts aufmerksam zu ihnen herüberschaute.
    »Nimm dein Handy«, raunte Marcus. »Schalte das Video ein und halte auf den Kerl drauf.«
    Ungläubig starrte sie auf den Bart des Apartmentschlüssels, der zwischen seinen Fingern hervorragte. Sein linker Daumen lag auf dem Zündhebel eines Feuerzeugs.
    »Was soll das? Willst du dem Alten den Schlüssel ins Gesicht rammen? Oder ihn abfackeln? Das ist doch lächerlich!«
    Mit versteinertem Gesicht sah er sie an. »Denk an die warnenden Worte von Karen McKillop. Tu einfach ein einziges Mal das, was ich dir sage! Wir können nicht sehen, wer sich noch in dem Wagen versteckt.«
    »Eine Frau, da sitzt eine alte Frau drin! Und denk doch an eben.« Sie schob ihr Kinn vor. »Du hast echt einen Knall! Der Mann sieht wirklich nett aus, außerdem ist er auch ziemlich alt und bestimmt nicht gefährlich. Ich mach jetzt die Tür auf.«
    Ohne sich weiter um ihn zu kümmern, setzte sie ihre Ankündigung in die Tat um und lächelte den Zulu an. »Guten Morgen«, sagte sie und spürte, dass Marcus neben ihr erstarrt war.
    »Guten Morgen, Madam … Sir«, antwortete der Alte, schob seine Sonnenbrille auf den kahlen Kopf und streifte dabei mit einem schnellen Blick den platten Hinterreifen. »Das ist nicht gut«, stellte er fest.
    »Allerdings«, erwiderte Silke und nahm den Mann genauer in Augenschein. Oberhalb seines Hemdkragens zog sich eine fleischrosa Narbe von Ohr zu Ohr. Wenn er schluckte, hüpfte sie auf und ab, schien zu grinsen wie ein breiter, rosafarbener Mund. Sie musste schlucken, als ihr dämmerte, dass jemand versucht hatte, dem Mann die Kehle aufzuschlitzen. Sie starrte die Narbe an wie das Kaninchen die Schlange und fragte sich, was diese Tatsache über diesen Afrikaner aussagte. Mehrere Erklärungen schwirrten ihr durch den Kopf, und alle waren überhaupt nicht dazu geeignet, ihr Nervenflattern zu beruhigen.
    »Besuchen Sie unser Land?«, fragte der Zulu.
    Mit einer Hand hielt er die Tür auf, mit der anderen hatte er den Rahmen gepackt, blockierte so mit seinem Körper die Öffnung. Im Auto wurde es dunkler.
    Silke hob den Kopf. Die Narbe grinste ihr ins Gesicht. Instinktiv wich sie vor ihm zurück. »Ja, das sind wir«, presste sie heraus. »Touristen.«
    Der Alte sah sie einen Moment an, seine Mundwinkel zuckten, die Narbe hüpfte, dann gab er die Tür frei und trat einen Schritt zurück. Es wurde wieder hell im Wageninneren. Silke atmete vorsichtig durch, schämte sich insgeheim dafür, automatisch angenommen zu haben, dass dieser Mann ein Krimineller war und ihnen

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