Nachtsafari (German Edition)
hatte. Es fiel ihr schwer, und bedrückt ging sie ins Badezimmer, um sich zu duschen.
Pünktlich um neun Uhr brachte eine schmale, blonde Frau, die sich als Karen McKillop von Hertz vorstellte, das Auto, ein geräumiger Geländewagen. Karen machte einen sehr kompetenten Eindruck und hatte alle Unterlagen bestens vorbereitet. Marcus erledigte den Papierkram, Karen händigte ihm den Schlüssel aus, wies ihn noch darauf hin, dass er bei einer Panne oder einem Unfall auf keinen Fall aussteigen solle.
»Türen verriegeln, Motor laufen lassen und uns anrufen«, sagte sie und lächelte Silke an, die sie verunsichert musterte. »Offiziell wird sogar dazu geraten, auszusteigen, sich hundert Meter weiter zu verstecken und dann die Polizei zu rufen … Geht bloß nicht immer.« Sie grinste. »Aber keine Aufregung, in diesem Fall wird unser Fahrer mit einem Ersatzwagen so schnell wie möglich zur Stelle sein. Falls Sie aber einen Unfall hatten und einen Krankenwagen benötigen – das hier sind die Notrufnummern.« Sie reichte Marcus einen Zettel und stieg zu ihrem Fahrer in den Wagen. »Rufen Sie mich oder meinen Mann aber auf jeden Fall an. Und, bevor ich es vergesse, Sie müssen unbedingt darauf bestehen, in ein Crosscare-Hospital gebracht zu werden, nicht in ein staat liches«, rief sie und ließ das Fenster hochsurren, bevor sie winkend davonfuhr.
Silke sah ihr mit hochgezogenen Brauen nach. »Ich will doch hoffen, dass sie das alles nicht so ernst gemeint hat, oder?«, wandte sie sich an Marcus.
»Ich denke doch«, war seine trockene Antwort.
»Die sind doch alle komplett paranoid hier«, murmelte sie, aber für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, als würde der Boden unter ihr schwanken. »Lass uns frühstücken gehen«, sagte sie laut, um sich abzulenken. Heather hatte ihnen eine Strandbar namens La Spiaggia empfohlen, die nur ein paar Minuten zu Fuß vom Apartment entfernt lag.
Hand in Hand schlenderten sie die Promenade entlang, die mit meterhohem Mauerwerk gegen die donnernde See befestigt war, bis sie den Hauptstrand erreichten. Das La Spiaggia hatte eine herr liche Terrasse, und sie ergatterten einen Tisch ganz vorn, der ihnen einen Blick über Strand und Felsen, die donnernde Brandung und die Schiffe, die auf Einfahrtserlaubnis in Durbans Hafen warteten, bot. Im Süden schimmerten die Hochhäuser der Metropole durch den Dunst, und die kühne Konstruktion des Moses-Mabhida-Stadiums erhob sich wie ein auffliegender weißer Schwan über der Stadt. Silke sah hinunter auf den Strand. Direkt unter ihnen waren etwa fünfzig Meter mit Flaggen als Badezone gekennzeichnet und in einer verglasten Metallkonstruktion direkt neben der Restaurantterrasse Rettungsschwimmer stationiert.
Marcus folgte ihrem Blick. »Wollen wir schwimmen? Macht sicher Spaß in der Brandung.«
Silke schaute ihn entsetzt an. »In diesen Wellen? Ich bin doch nicht lebensmüde.«
Er lachte. »Du hast ja recht. Die Brandung an dieser Küste ist unglaublich gefährlich. Schon normalerweise ist sie zwei bis drei Meter hoch, bei Sturm kann sie mehr als das Doppelte oder Dreifache erreichen. Außerdem laufen stärkste Unterströmungen kreuz und quer zueinander – da hat man kaum eine Chance … hab ich gelesen«, setzte er schnell auf ihren erstaunten Gesichtsausdruck hinzu.
»Was du nicht so alles liest«, murmelte sie biestig. Er las unglaublich viel, und zu ihrem ständigen Verdruss behielt er auch noch praktisch alles.
Lachend winkte er dem Kellner, einem Schwarzen mit beachtlichem Wanst, der sie mit breitem Grinsen begrüßte.
»Ich habe Hunger«, verkündete Silke und orderte Croissants, Müsli, Kaffee und Rühreier.
Marcus schloss sich ihrer Bestellung an.
Es dauerte etwas, ehe ihr Frühstück kam – Silke fiel auf, dass sich hier niemand in hektischer europäischer Manier bewegte –, aber es war gut, beruhigte ihren immer noch meuternden Magen, und eine Stunde später schlenderten sie gesättigt am Strand zurück zum Apartment.
Silke verfolgte mit stummem Entzücken eine Schule Delfine, die draußen auf dem Meer im Sonnenglitzern spielte, und beob achtete staunend Frauen in knappsten Bikinis, die sich neben ver schleierten Muslimas in den Wellen vergnügten. Es schien keine Kluft zwischen ihnen zu bestehen, stellte sie beeindruckt fest und musste an den Antagonismus zwischen Menschen verschiedener Kulturen in Deutschland denken.
Marcus hatte die Hände in seinen aufgerollten Jeans vergraben und wanderte stumm neben ihr her,
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