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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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gewichtige Zulu quoll aus der Beifahrertür, rückte ihren immensen Hut zurecht, zupfte das knöchellange Kleid glatt, das im gleichen Orange leuchtete wie der Hut, klemmte sich eine Thermoskanne und eine grüne Tupperdose unter den Arm und trat zu ihnen.
    Stirnrunzelnd betrachtete sie den platten Reifen und wandte sich dann an ihren Mann. »Ich hab doch gesagt, wir sollten nicht ohne Thabiso fahren. Hab ich dir’s nicht gesagt, du sturer, alter Mann? Wenn Thabiso hier wäre, könnte er den Reifen wechseln, und diese jungen Leute könnten weiterfahren. Und hast du ihn mitgenommen? Nein!«, beantwortete sie ihre eigene Frage. »Natürlich nicht!« Sie funkelte ihn an. »Thabiso ist unser Bodyguard, der auch Reifen wechseln kann«, erklärte sie Silke.
    Silke aber klopfte das Herz, doch nicht vor Angst, sondern weil sie vollkommen von der Ausstrahlung dieser zwei Menschen gefangen war. Manchmal geschieht so etwas. Dass man von der Seele eines Wildfremden berührt wird, glaubt, ihn schon sein Leben lang zu kennen.
    »Das wäre schade gewesen, denn dann hätten wir Sie nicht kennengelernt«, erwiderte sie mit schüchternem Lächeln.
    Minuten später saßen sie im Leihwagen – Sarah und Silke vorn, Marcus und Vilikazi auf dem Rücksitz – aßen Kekse, tranken Tee und unterhielten sich angeregt.
    »Leben Sie hier in Zululand?«, fragte Silke die Dumas.
    »Das tun wir«, antwortete Vilikazi. »Ganz in der Nähe.«
    Bald gab Sarah Anekdoten zum Besten, die sie als Haushaltshilfe bei den Weißen erlebt hatte, und Vilikazi beschrieb, wie er während des Freiheitskampfes vor langer Zeit in einer dunklen Nacht in KwaMashu von drei Polizeispitzeln überfallen worden war, die versucht hatten, ihm die Kehle durchzuschneiden.
    »Das war dumm von ihnen«, sagte Sarah mit leichtem Grinsen und putzte sorgfältig die Kekskrümel von ihrem Kleid.
    Silke sah sie fragend an.
    Ein funkelnder Blick traf sie, schräg unter der orangefarbenen Hutkrempe hervor. »Jetzt sind sie mausetot. Vilikazi hat ihnen das Messer abgenommen.«
    Silke schüttelte sich unwillkürlich und wagte nicht, weiter nachzufragen, weil sie nicht wusste, wie sie mit einer Antwort umgehen sollte. Für einen flüchtigen Augenblick saß nicht die gemütliche Zuludame neben ihr, die so herzlich lachen konnte, dass ihr ganzer Körper bebte, sondern eine Frau mit einem Gesicht wie aus schwarzem Granit gemeißelt und Augen, die an schwelende Kohlen denken ließen. Eine, die sich durch den schmutzigen Sumpf von Gewalt und Kriminalität gekämpft hatte und selbst hart wie Stein geworden war.
    Blicklos starrte sie hinaus. Ein schwarzer Vogel mit einem leierförmigen Schwanz flog auf und tanzte über das flirrende Grasmeer, Zikaden sirrten. Drei Polizeispitzel waren es gewesen, und offenbar hatte keiner den Zusammenstoß mit Vilikazi überlebt. Das Bild, das vor Silkes innerem Auge aufblitzte, war ein harter Kontrast zu der friedlichen Szene draußen. Vilikazi Duma, blutüberströmt, quer über den Hals ein klaffender Schnitt, ein Messer in der Faust, zu seinen Füßen die drei blutbesudelten, toten Angrei fer. Wozu hatte die brutale Unterdrückung des Apartheidregimes Vilikazi und Sarah getrieben? Was lernt man unter derartigen Umständen?
    Sie wusste nicht einmal, wie sich körperliche Gewalt anfühlte. Nie hatte sie eine Ohrfeige von ihren Eltern bekommen, geschweige denn, dass sie je in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen wäre.
    Die beiden Zulus wirkten wie nette, abgeklärte Großeltern. Und das waren sie vermutlich auch. Aber etwas in Vilikazis Haltung, die Art, wie er mit den Männern eben geredet hatte, strahlte pure Stärke aus, mental und körperlich. Und Macht.
    Ein plötzlicher Kälteschauer jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Ihre Fantasie reichte nicht aus, sich das frühere Leben dieser zwei Menschen auszumalen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es war, damals, während der Apartheidzeit«, sagte sie sehr leise.
    Sarah rückte ihren Hut zurecht, der ihr zu tief über die Augen gerutscht war. »Kommen Sie und besuchen Sie uns, dann kann ich Ihnen davon erzählen. Bleiben Sie, so lange Sie wollen. Unser Haus ist groß. Es würde uns wirklich glücklich machen. Ich liebe Besuch.«
    Bevor Silke antworten konnte, hielt hinter ihnen ein Auto mit quietschenden Reifen.
    Marcus drehte sich um. »Na, endlich. Der Ersatzwagen ist da.« Er stieß die Tür auf, sprang aus dem Wagen und ging dem Fahrer, einem Zulu in weißem Hemd und dunkler

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