Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Objekt zutage. Sie hob es dicht vors Gesicht, um es besser erkennen zu können. Es war ein blutiger Fleischklumpen.
    Mit einem Aufschrei ließ sie ihn fallen. Es gab ein klatschendes Geräusch. Vollkommen verstört starrte sie dieses Ding an, begriff für lange Sekunden nicht, was sie da vor sich hatte. Als ihr schließlich klar wurde, dass da eine menschliche Hand lag, Scotts Hand, musste sie sich explosionsartig übergeben.
    Schluchzend kniete sie sich hin und wischte die schmierige Lache auf, verzweifelt darauf bedacht, die Hand nicht zu berühren. Sie zwang sich, darüber nachzudenken, was sie damit anfangen sollte. Sollte sie sie einfach liegen lassen, damit der Arzt sie sich ansehen konnte? Sie hatte keine Ahnung, wie lange die Amputation her war – Scott war nicht ansprechbar, er konnte ihr das nicht sagen –, war sich auch nicht klar, ob ein Chirurg sie wieder annähen könnte. Und Scotts Hand einfach in den Müll zu werfen war undenkbar. Bevor sie zu einem Entschluss kommen konnte, nahm sie ein Motorengeräusch wahr, das sich schnell näherte.
    Wie elektrisiert lief sie zur Tür. Eben hielt der größte Geländewagen des Reservats vor ihrer Haustür, und der Arzt – mit dem eingeschalteten Funkgerät in der Hand – und vier Ranger sprangen heraus. Einer trug den Arztkoffer, die anderen hasteten bereits mit der Trage ins Haus.
    Kirsty folgte ihnen, blieb jedoch im Hintergrund, um nicht im Weg zu sein. Sie zitterte wie ein Blatt im Sturm. Der Arzt kniete vor dem Sofa und schlang als Erstes einen Stauschlauch um den verletzten Arm und legte anschließend eine Infusion.
    »Ab mit ihm, schnell, aber vorsichtig«, befahl er den Rangern. »Wissen Sie, wo die Hand abgeblieben ist?«, fragte er Kirsty. »Wenn wir das Krankenhaus rasch erreichen, kann sie vielleicht wieder angenäht werden.«
    Stumm deutete sie auf den Fleischklumpen. Der Arzt hob das abgetrennte Glied auf und drehte sich zu ihr um. »Bringen Sie einen Plastikbeutel gefüllt mit Eis, schnell! Und ein Tuch.«
    Kirsty musste warten, bis die Ranger Scotty hinausgetragen hatten, ehe für sie der Weg zur Küche frei war. Sie öffnete die Tür zum Tiefkühlfach, sah dabei aus den Augenwinkeln, wie Scott im starken Licht der Autoscheinwerfer auf die Ladefläche, auf der sonst kranke Tiere transportiert wurden, gehoben wurde. Sie han delte wie betäubt, kippte alle Eiswürfel, die sie im Gefrierfach fin den konnte, in eine Plastiktüte, schnappte sich zwei weitere Tüten sowie ein Küchentuch und rannte hinter dem Arzt her, der sich bereits auf die Ladefläche zu Scott schwang.
    »Sie kommen mit«, befahl er und half ihr mit einem Ruck hin auf. Er nahm ihr das Eis und die Plastiktüten ab, schob die Tüten ineinander, zog sie über Scotts abgetrennte Hand, umwickelte das Ganze mit dem Tuch und steckte alles in die Tüte mit dem Eis.
    »Das mit den Extra-Tüten war clever. So wird es mit großer Wahrscheinlichkeit keine Erfrierungen geben«, meinte er mit anerkennendem Blick. Dann reichte er ihr einen Handscheinwerfer. »Immer dorthin leuchten, wo ich arbeite. Ein Hubschrauber wartet keine fünf Minuten von hier auf uns.«
    Er hatte recht. Nach einer rasanten Fahrt über Stock und Stein gelangten sie auf eine weite Lichtung. Der Helikopter hatte die Scheinwerfer eingeschaltet, seine Rotorblätter nahmen bereits Geschwindigkeit auf. In Windeseile wurde der Patient umgeladen, und der Arzt kletterte hinterher, hielt dabei die Tüte mit Scotts abgeschnittener Hand sorgfältig fest.
    »Wohin bringen Sie ihn?«, schrie Kirsty über das Röhren des Motors hinweg.
    »Nach Hlabisa, für Ngoma oder Richards Bay bleibt keine Zeit«, brüllte der Arzt, während er bereits die Tür zuzog.
    Kirsty stand wie gelähmt auf der Lichtung. Die Rotoren wirbelten immer schneller, Dreck flog ihr in die Augen, der künstliche Sturm zerrte an ihrem kurzen Kleid. Sie sah dem Hubschrauber nach, dessen starker Lichtstrahl wie ein blendend weißer Finger über den Busch huschte.
    Bis sie ihn kaum noch hören konnte, stand sie da, und erst als einer der Ranger, die mit ihr zurückgeblieben waren, sie sanft am Arm nahm und zum Wagen führte, kam sie zu sich. Sie versuchte, sich loszureißen.
    »Ich muss mein Auto holen, ich muss zu Scotty.«
    »Na klar. Wir bringen dich hin«, sagte der Ranger, der sie noch immer am Arm führte. »In diesem Zustand kannst du nicht fahren, außerdem können wir Scotty nicht allein lassen, und wir kennen den schnellsten Weg.«

10
    D as Wummern von

Weitere Kostenlose Bücher