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Nachtsafari (German Edition)

Nachtsafari (German Edition)

Titel: Nachtsafari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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sie – zwei vollkommen Fremde – interessieren sollten.
    Eilig strebte sie durch die Bar, wo mittlerweile jeder Platz mit Touristen besetzt war. Weiche, duftgeschwängerte Nachtluft strömte durch die geöffnete Tür, Gläser klirrten, Stimmengewirr aus mehreren Sprachen erfüllte den Raum, wurde immer wieder von Gelächter unterbrochen. Für einen kurzen Moment war sie versucht, sich dazuzusetzen, Marcus einfach seinem Schicksal zu überlassen und an dem Spaß hier teilzuhaben, doch da sie wirklich hundemüde war, verließ sie das Gebäude.
    Im mückenumschwirrten Schein einer Straßenlaterne entdeckte sie Rick und einen bulligen, untersetzten Schwarzen, die mit Marcus vor ihrem Wagen auf dem Parkplatz standen und lauthals miteinander diskutierten. Ihre Stimmen trugen in der stillen Nachtluft klar zu Silke hinüber. Marcus beharrte eigensinnig darauf, das Auto vor dem Restaurant stehen zu lassen und durch die laue Nacht zu Fuß durchs Camp zu ihrem Chalet zu spazieren.
    »Hilft bei der Verdauung, und ich könnte meinen Alkohol…« Er stolperte über das Wort, wiederholte es dann aber langsam, Silbe für Silbe. »Al-ko-hol-pe-gel.« Er grinste stolz. »Geht doch! Also, ich kann den Pe-gel etwas abarbeiten.«
    »Ich gehe ganz bestimmt nicht zu Fuß – auf keinen Fall«, rief Silke schon von Weitem. »Ich habe gehört, dass Schlangen es sich nachts mit Vorliebe auf dem warmen Pflaster bequem machen und dass es hier reichlich Kobras und Schwarze Mambas gibt … und Grüne.« Sie schüttelte sich theatralisch.
    »Und fliegende«, warf Marcus ein und grinste. »Die darfst du nicht vergessen.«
    Silke ignorierte ihn. »Ich habe nicht die geringste Lust, auf eine zu treten und womöglich gebissen zu werden und daran zu verrecken. Ich fahre! Wenn du laufen willst – bitte, ich kann dich nicht zwingen mitzufahren.«
    »Spieß sie doch mit deinen Absätzen auf«, bemerkte Marcus unerwartet bissig und lenkte damit aller Blicke auf ihre hochhackigen Sandaletten.
    Vukani grinste vor Vergnügen, aber ein unwirscher Blick von Rick, der Silke die Tür vom Geländewagen aufhielt, ließ ihn verstummen.
    »Silke hat völlig recht«, sagte er. »Das mit den Schlangen stimmt, und man sollte kein Risiko eingehen, die sind fast alle tödlich giftig. Auch wenn ihr keine Schlangen sehen könnt, heißt das nicht, dass sie nicht direkt vor euch im Gras lauern. Sie sind Meister der Tarnung.«
    Silke überlegte, ob er einen Scherz machte. Aber seine Miene verriet nichts dergleichen. Schweigend setzte sie sich ans Steuer, Rick half Marcus auf den Beifahrersitz und stieg mit Vukani auf die Rückbank. Langsam fuhr sie den unbeleuchteten Weg durchs Camp. Unter den zerfledderten Blättern einer wilden Banane ruhte eine Zebrafamilie, und im huschenden Strahl ihres Scheinwerfers glühten zwei Augenpaare auf. Sie nahm den Fuß vom Gas.
    »Was war das?«
    »Impala, vielleicht«, antwortete Rick. »Könnten natürlich auch Hyänen gewesen sein. Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Hyänen, aha.« Sie drehte den Rückspiegel so, dass sie sein Gesicht beobachten konnte. Aber sie fand nicht die Spur von Ironie. Offenbar schien er es tatsächlich ernst zu meinen. Ihr Herz klopfte schneller, und mit einem Flattern im Magen erinnerte sie sich an das Warnschild am Eingang. Jenes, auf dem die Silhouetten von Löwe, Elefant, Leopard, Nashorn und Büffel abgebildet waren. Sie hatte geglaubt, dass das Schild den Touristen einen angenehmen Kitzel von Gefahr geben sollte. Außerdem war sie sich sicher gewesen, dass im Camp genügend Autos fuhren und Menschen herumliefen und die Tiere daher freies Gelände vorziehen würden.
    Sehr vorsichtig fuhr sie weiter und war froh, als sie ohne weitere Zwischenfälle das Chalet erreichten.
    »Bringt ihn ins andere Schlafzimmer«, sagte sie zu den Rangern. »Wir schlafen heute getrennt.«
    Ohne sich weiter um Marcus zu kümmern, ging sie ins Haus, prüfte, ob ungebetene Gäste sie besucht hatten, und verschwand im Badezimmer. Sie hörte Marcus’ dumpfen Protest, als Rick ihn ins Gästezimmer beförderte. Rick rief ihr ein lautes »Bye-bye!« zu, dann fiel die Eingangstür ins Schloss. Sie stellte die Dusche an.
    Später lag sie noch lange wach, der Alkoholgestank, der von Marcus ausging und durchs ganze Haus zog, hing ihr in der Nase. Ihre Gedanken sprangen unkontrolliert hin und her. Irgendwann schob sich das Gesicht ihrer Mutter vor ihr inneres Auge. Zigarette in der einen, Weinglas in der anderen Hand, die Kleidung nicht

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